Erlaubte Nutzung von urheberrechtlich geschützten Werken
Zu dieser sehr strengen Regel gibt es im Gesetz Ausnahmen. Diese Ausnahmen würden es zum Beispiel einem Dozenten, nennen wir ihn Werner K., erlauben, in eigenen Beiträgen fremde Werke ohne die Erlaubnis der Rechteinhaber/innen zu nutzen.
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Für Unterricht und Forschung dürfen Lehrende und Studierende fremde Werke zugänglich machen, sofern sie sich an die gesetzlichen Regeln halten.
Nutzungsrechte
Die Nutzung fremder Werke in Lernplattformen ist an eine Reihe von Voraussetzungen gebunden (§ 52a Abs. 1 Nr. 1 UrhG). Alle Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit sich Lehrende oder Studierende auf die Ausnahmen berufen können. Sobald nur eine der Voraussetzungen nicht erfüllt werden kann, ist die Ausnahme nicht anwendbar und die Lehrenden und Studierenden sind auf eine Genehmigung der Rechteinhaber/innen angewiesen.
Lehrende und Studierende öffentlicher Hochschulen können sich auf die Ausnahme berufen.
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Darf der Dozent Werner K. das Buch von Professorin W. in einem Moodle-Kurs als PDF-Ausgabe für die Studierenden zugänglich machen?
Der Zugang zum Material darf nur den Teilnehmenden einzelner Veranstaltungen gewährt werden. Der Zugang muss durch Passwörter geschützt werden. Die Teilnehmenden müssen darauf verpflichtet werden, die Materialien nicht außerhalb des Kurses zu nutzen und sie nicht an Unbeteiligte weiter zu geben. Diese Verpflichtung kann elektronisch erfolgen.
Kleine Teile eines veröffentlichten Werkes dürfen verwendet werden (vgl. LG Stuttgart, 2011). Circa zehn Prozent werden als kleiner Teil angesehen. Bilder, Zeitungsartikel und wissenschaftliche Aufsätze können oft nur dann sinnvoll verwendet werden, wenn sie im Ganzen übernommen werden. Diese sogenannten kleinen Werke dürfen vollständig genutzt werden, wenn nur die vollständige Nutzung sinnvoll ist.
Die Nutzung ist nur dann erlaubt, wenn es keine finanziell und organisatorisch zumutbaren Alternativen gibt, zum Beispiel wenn Sie Lehrbücher kaufen können. Wenn Sie eine Sachfrage darstellen möchten, müssen Sie Ihre Eingriffe verteilen und dürfen von jeder geeigneten Quelle nur einen Teil „klauen“. Falls es das Budget Ihres Institutes erlauben würde, das Kursmaterial zu kaufen, müssen Sie es kaufen.
Die Regelung zur Nutzung fremder Materialien in Österreich ist einerseits großzügiger, andererseits strenger als in Deutschland (42 Abs. 6 UrhG Ö). Der Umfang der genutzten Werke ist nicht auf zehn Prozent beschränkt. Umfangreiche Werke dürfen zwar nicht vollständig verwendet werden, es ist aber erlaubt, diejenigen Teile zu nutzen, die für den jeweiligen Zusammenhang erforderlich sind. Das können auch mehr als zehn Prozent sein. Dabei dürfen einzelne Rechteinhaber nicht mehr belastet werden, als es notwendig ist. Zeitungsartikel, Aufsätze, Bilder und Grafiken dürfen vollständig verwendet werden, wenn es erforderlich ist.
Strenger ist die Regelung, weil nur einzelne elektronische Exemplare per Mail verschickt werden dürfen. Die Speicherung auf einem Server zum Abruf durch andere ist verboten. So soll sichergestellt werden, dass nur die unmittelbare Zielgruppe Zugriff erhält.
In der Schweiz ist die Nutzung fremder Materialien im Unterricht im Bundesgesetz über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte geregelt. Für didaktische Zwecke dürfen elektronische Materialien für Kursteilnehmer/innen auf Internetservern gespeichert werden. Sogar in Intranets, die nicht auf Teilnehmende einzelner Kurse beschränkt sind, dürfen die fremden Materialien zugänglich gemacht werden. Lediglich die Öffnung für alle ist verboten (Art. 19 Abs. 1 b UrhG CH). Der Anteil größerer Werke, der genutzt werden darf, erstreckt sich auf das Erforderliche im jeweiligen didaktischen Zusammenhang. Auch diese Grenze ist relativ weit gefasst. Zeitungsartikel, Grafiken, Bilder dürfen vollständig verwendet werden, wenn es erforderlich ist.
Das Zitatrecht
Eine andere gesetzliche Erlaubnis ist das Zitatrecht (§ 51 UrhG). Auch diese Ausnahme steht Ihnen nur dann offen, wenn Sie mehrere strenge Voraussetzungen erfüllen. Sobald Sie eine der Voraussetzungen nicht erfüllen können, dürfen Sie sich nicht auf die Ausnahme berufen. Der Schwerpunkt muss das eigene Werk sein. So könnte zum Beispiel der Dozent Werner K. nicht sagen: „Mein Lehrmaterial besteht zu 100 Prozent aus einem Zitat des Lehrbuchs vom Kollegen X“. Seine eigene Konzeption des Materials muss im Vordergrund stehen.
Dabei gilt:
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Das fremde Material muss eine Belegfunktion im wissenschaftlichen Diskurs haben. Wenn Sie eine wissenschaftliche Frage behandeln und verschiedene Standpunkte zu dieser Frage erläutern, können Sie diese Standpunkte mit Zitaten belegen.
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Die Quellenangaben müssen korrekt und vollständig sein. Was als korrekt und vollständig gilt, wird in verschiedenen wissenschaftlichen Communities unterschiedlich beurteilt. Wenn Sie sich an die Regeln halten, die in Ihrer Community gelten, sind Sie auf der sicheren Seite.
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Sie dürfen nur in dem Umfang zitieren, der für die jeweilige didaktische Situation erforderlich ist. Alle Ergänzungen, die das Material angenehmer und hübscher machen, aber inhaltlich nicht wirklich notwendig sind, können Sie nicht über die Brücke des Zitatrechts in Ihr Material holen. Sie brauchen dafür eine Einwilligung der Rechteinhaber/innen.
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In der Online-Welt gilt außerdem auch die Beschränkung des Zugriffs auf Teilnehmende einzelner Veranstaltungen. Wenn Sie Lehrmaterial für eine Veranstaltung mit 30 Teilnehmenden konzipieren und das Material auf einer öffentlichen Webseite zugänglich machen, öffnen Sie einen potentiellen Zugriff für ca. 3.000.000.000 (3 Milliarden) Internet-Nutzer/innen. Diese weite Öffnung steht in keinem angemessenen Verhältnis zur begrenzten Zahl der Teilnehmenden an einer Lehrveranstaltung.
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Die gesetzlichen Erlaubnisse der Nutzung fremder Werke in Lernplattformen und das Zitatrecht wirken wie eine gesetzliche „Erlaubnis zum Klauen“. Die Rechteinhaber/innen müssen das „Klauen“ dulden. Sie erhalten dafür aber eine finanzielle Entschädigung. Berechnungsmethoden und die Höhe der Entschädigung werden zwischen Hochschulverbänden und Verwertungsgesellschaften ausgehandelt. Die Lehrenden müssen sich nicht um diese Dinge kümmern.
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Die gesetzliche Erlaubnis „Privatkopie” ist für die Hochschullehre nicht anwendbar.
Das Gesetz erlaubt es, Kopien ohne Einwilligung der Rechteinhaber/innen zu machen, wenn die Kopien nur privat im engen Freundeskreis verwendet werden. Der Einsatz von Lehrmaterial in der Hochschule liegt im beruflichen Umfeld der Lehrenden. Studierende bewegen sich an der Hochschule ebenfalls nicht im privaten Umfeld. Facebook-Freundschaften sind nicht die wirklichen Freundschaften des engen privaten Kreises.
Das Zitatrecht ist in Österreich in § 46 UrhG Ö geregelt. Die Anforderungen an ein rechtmäßiges Zitat sind mit den Anforderungen in Deutschland vergleichbar. Besondere Regelungen gibt es für die Nutzung von Bildern und Musik (§§ 52, 54 UrhG Ö). Dort sind die Anforderungen sehr streng. Ganze Bilder dürfen nur in Ausnahmefällen verwendet werden, wenn es keine zumutbare Alternative gibt. Die Nutzung von Musik ist auf kleine Teile beschränkt, deren Umfang sich aus dem jeweiligen Zusammenhang ergibt. Dabei dürfen die Nutzer/innen nicht zu ihren Gunsten großzügig sein.
Die Regelungen des Zitatrechts entsprechen in der Schweiz im Wesentlichen den für Deutschland beschriebenen Regelungen (Art. 25 UrhG CH). Die Nutzung von Bildern wird aber etwas strenger geregelt als in Deutschland. Ganze Bilder dürfen nur dann verwendet werden, wenn es keine zumutbaren Alternativen gibt. Soweit es möglich ist, muss die Nutzung von fremden Bildern eingeschränkt werden.
Einzelaspekte
Die Aufzeichnung von Veranstaltungen ist nur dann erlaubt, wenn die abgebildeten Dozentinnen bzw. Dozenten mit der Aufzeichnung einverstanden sind (§ 22 KUG). Das Einverständnis muss auch die Nutzung der Aufzeichnung umfassen. Darf die Aufzeichnung nur intern genutzt oder darf sie öffentlich verwendet werden? Erlaubt ist nur das, was das Einverständnis abdeckt. Um Missverständnisse zu vermeiden, ist es sinnvoll, das Einverständnis im Vorfeld schriftlich zu fixieren. Wenn sich Studierende an Diskussionen beteiligen, ist auch deren Einwilligung in die Aufzeichnung notwendig. Die Einwilligung können sich die Veranstalter/innen schriftlich geben lassen. Sie können aber auch die Studierenden mit Aushängen über die Aufzeichnungen informieren und diejenigen, die sich wegen der Aufzeichnung nicht an einer Diskussion beteiligen wollen, nach der Aufzeichnung die Möglichkeit geben, sich „nicht-öffentlich“ zu beteiligen.
Die Beiträge von Studierenden werden juristisch genauso behandelt wie die Beiträge von Lehrenden: Sowohl bei der Zusammenstellung des Materials als auch bei der Verbreitung des Materials gelten die Grenzen der Erlaubnisse im UrhG. Beiträge für ein öffentliches Wiki verlassen den engen Rahmen, den die Erlaubnisse im UrhG setzen. Fremde Materialien dürfen nur mit Einwilligung der Rechteinhaber/innen genutzt werden. Dies gilt auch für das Zitatrecht. Wenn ein Wiki mit Beiträgen von Lehrenden und Studierenden semesterübergreifend angeboten wird und wenn das Material von anderen Studierenden weiterbearbeitet werden soll, ist dies nur dann erlaubt, wenn die Autorinnen bzw. Autoren mit der Weiterbearbeitung einverstanden sind.
Die Erlaubnisse im UrhG gelten nur für die Nutzung und Verbreitung fremder Werke, nicht für die Veränderung fremder Werke. Je mehr Autorinnen bzw. Autoren an einem Werk beteiligt sind, umso mehr Mit-Urheber/innen gibt es, die nur gemeinsam darüber bestimmen können, wie das Werk genutzt werden darf. Später hinzukommende Autorinnen bzw. Autoren können sich den vorher geschlossenen Vereinbarungen anschließen. Sie können die Vereinbarungen ihrer Vorgänger/innen aber nicht einseitig ändern (§§ 8, § 9 UrhG).
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Die studentische Theatergruppe „FlipFlop” will einen Podcast zur richtigen Darstellung einzelner Figuren drehen. Der Podcast soll auf Wunsch von Dozent W. auf YouTube veröffentlicht werden. Kann der Dozent W. die Veröffentlichung durchsetzen?
Auf YouTube ist eine Veröffentlichung nur mit Einwilligung der Autorenschaft möglich. Die Einwilligung zur Veröffentlichung darf nicht erzwungen werden (§ 11 UrhG). Deshalb dürfen Veranstaltungsformate, die eine Veröffentlichung auf YouTube vorsehen, nur im Wahlbereich angeboten werden. Im Wahlbereich muss es eine Alternative geben, die ohne Veröffentlichung auf YouTube auskommt.
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