Digitale Werkzeuge zum Speichern und Wiederfinden gefundener Informationen
Wer sich mit einem Thema intensiver beschäftigt und dazu in verschiedenen Quellen – vielleicht mehrmals über einen längeren Zeitraum verteilt – recherchiert, steht vor einem Problem: Wie behalte ich den Überblick über alles, was ich bisher gefunden habe? In kürzester Zeit haben sich ein Stapel Ausdrucke und vielleicht Fotokopien, einige Bookmarks in meinem Browser, einige handschriftliche Notizen, sowie noch ein paar Quellen und Zitate, die ich in eine Textdatei kopiert habe, angesammelt. Aber was davon war wichtig, was ist für welchen Abschnitt der Arbeit, an der ich sitze, relevant? Und wie zeige oder gebe ich jemandem, mit dem ich zum Beispiel die Arbeit zusammen schreiben will, was ich bisher gefunden habe? Probleme dieser Art sind jedem vertraut, der schon einmal eine wissenschaftliche Hausarbeit oder einen Zeitschriftenaufsatz geschrieben hat.
Einige digitale Werkzeuge können, richtig ausgewählt und eingesetzt, beim Speichern und Wiederfinden der bereits gefundenen Informationen hilfreich sein. Das Material, mit dem wir heute meist arbeiten, sind Dateien und URL aus dem Web; erfahrungsgemäß finden wir immer mehr von dem, was wir suchen, als Volltext oder als Multimedia-Objekt im Netz. Und wenn nicht, dann finden wir zumindest eine URL, in der das jeweilige Objekt (zum Beispiel das gedruckte Buch oder der Aufsatz aus einer gedruckten Zeitschrift) beschrieben wird, sodass wir anhand dieser URL das eigentliche Objekt später finden, wieder zuordnen oder zitieren können (Heller, 2007; Hull et al., 2008).
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Ein interessantes Beispiel für eine Verabredung dieser Art im großen Maßstab ist Peter Subers „Open Access Tagging Project“ - http://oad.simmons.edu/oadwiki/ OA_tracking_project
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Weiterführende Beiträge und Links zu den Kapiteln dieses Lehrbuchs werden bei Mister Wong gesammelt. Recherchieren Sie dort beispielsweise einmal zu den Schlagworten #literatur und #l3t – oder zu einem anderen Kapitel des Lehrbuchs.
Social Bookmarking
Die Bookmarks landen also nicht auf der eigenen Festplatte, sondern auf dem Server der anbietenden Dienste. Kennzeichnende Eigenschaften von Delicious und inzwischen zahlreichen weiteren Social-Bookmarking-Diensten sind:
- Alle Bookmarks können, nach kostenloser Registrierung bei dem Dienst, online gespeichert werden und stehen somit auf allen PC oder Mobilgeräten zur Verfügung, auf denen man arbeitet.
- Ein Browser-Plugin erleichtert das Abspeichern einer Seite: Ich markiere eine Textstelle, drücke auf den Knopf zum Bookmarken, und es werden automatisch die markierte Textstelle, die URL, der Seitentitel sowie der aktuelle Zeitpunkt abgespeichert. Statt eine Textstelle zu kopieren, kann ich aber auch ein eigenes kurzes Exzerpt schreiben.
- Das Browser-Plugin synchronisiert, wenn die Nutzer/innen wollen, die Bookmarks zwischen Server und Rechner. Das heißt, sie können auch zugreifen, wenn sie gerade offline sind.
- Wenn ein Bookmark privat gespeichert wird, kann dies ebenso getan werden, wie per Knopfdruck jede einzelne URL öffentlich sichtbar zu machen.
- Jeder Bookmark kann sofort oder später mit sogenannten Tags, also beschreibenden Schlagwörtern, versehen werden („tagging“). Alle Tags, die schon einmal verwendet wurden, brauchen nur noch angeklickt werden, um sie einer neuen URL zuzuordnen.
- Es kann später anhand der Tags in den Bookmarks geblättert, aber natürlich auch im Volltext der Seitentitel oder mitkopierten Textstellen durchsucht werden.
- Die öffentlich zugänglichen Bookmarks anderer Benutzer/innen können ebenfalls eingesehen werden.
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Ausgewählte Social-Bookmarking-Dienste:
In der Praxis: Literaturverwaltung mit Zotero
Zotero (http://www.zotero.org) startete als kostenlose Erweiterung des Browsers Mozilla. Mittlerweile ist Zotero aber auch für die Browser Chrome und Safari als auch als eigenständiges Softwarepaket für Mac verfügbar. Wenn Zotero installiert und eine Seite im Browser geladen ist, auf der bibliographische Angaben erkannt worden sind, signalisiert Zotero das automatisch durch ein Symbol, das in der Adresszeile des Browsers erscheint; um die Angaben in die eigene Literaturliste zu übernehmen, reicht das Anklicken des jeweiligen Symbols.
Diese sehr einfache, in den Browser integrierte Übernahme von Quellenangaben funktioniert für: Aufsätze in zahlreichen Zeitungen und Journals, Videos (zum Beispiel von YouTube), Wikipedia-Artikel und deren Literaturverzeichnisse, viele Weblogbeiträge, Artikel in Digitalisate-Archiven wie JSTOR, Ergebnislisten aus Fachdatenbanken und Katalogen (zum Beispiel für den Worldcat und die Verbundkataloge zahlreicher deutscher Bibliotheksverbünde).
Zotero eignet sich ebenfalls dazu, PDF und andere Dateien auf der eigenen Festplatte zu verwalten, im Volltext durchsuchbar zu machen und sogar Bibliographie innerhalb von PDF-Dateien gut zu erkennen sowie wiederum in die eigene Literaturliste zu übernehmen.
Ein weiteres besonderes Merkmal von Zotero ist die Synchronisation von eigenen Listen mit einer Online-Komponente. Nach kostenloser Registrierung bei zotero.org (die zur Benutzung der Browsererweiterung als Literaturverwaltungs-Programm nicht erforderlich ist) ist es damit möglich, die eigenen Funde online sichtbar zu machen.
In der Praxis: Literaturverwaltung mit Citavi
Citavi (http://www.citavi.com) ist ein Literaturverwaltungsprogramm für Windows mit folgenden Besonderheiten: Die Benutzeroberfläche, auf der sich die eigene Literaturliste betrachten, bearbeiten und ergänzen lässt, ist besonders aufgeräumt und nahezu selbsterklärend. Vorbildlich ist die Wissensorganisation: Die Benutzer/innen werden dazu angeregt, Literaturlisten zu separaten „Projekten“ anzulegen (die Übernahme von Daten aus einem eigenen bereits vorhandenen Projekt ist natürlich ganz einfach), und können dann sehr leicht eine Art Mind Map anlegen, in der das Thema strukturiert wird. Die Verästelungen der Mind Map können jederzeit verändert und verschoben werden, jedes Zitat, jedes Exzerpt, jede Quelle, ja sogar jede eigene Idee kann in die Mind Map eingeordnet werden.
Obwohl Citavi noch ein junges Produkt ist, hat es sich im deutschsprachigen Raum als Literaturverwaltungsprogramm im Hochschulsektor etabliert. Citavi geht im Detail auf viele Sonderanforderungen von Wissenschaftsautorinnen und -autoren in bestimmten Fächern ein: Deutsche Juristinnen und Juristen finden gut umgesetzte juristische Quellentypen und Zitierweisen vor, Mathematiker/innen und Physiker/innen können sich über gelungene Optionen zur Unterstützung von BibTeX freuen. Schließlich ist festzustellen, dass Citavi zwar kostenpflichtig ist, aber eine kostenlose Version mit großem Funktionsumfang bietet, und damit die Hochpreispolitik traditioneller Literaturverwaltungs-Softwareanbieter/innen mit freundlicheren Konditionen kontert. Auf dieser Grundlage hat sich Citavi innerhalb weniger Jahre an zahlreichen Hochschulen im deutschsprachigen Raum verbreitet und steht dort unter einer Campus-Lizenz allen Hochschulangehörigen frei zur Verfügung.
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Ausgewählte Social-Bookmarking-Dienste für Literatur:
- BibSonomy (Open Source), URL: http://www.bibsonomy.org [2013-08-25]
- CiteULike, URL: http://www.citeulike.com [2013-08-25]
- LibraryThing (Büchersammlungen), URL: http://www.librarything.com [2013-08-25]
Ein Szenario zu der im letzten Punkt angesprochenen ‚sozialen’ Seite von ‚Bookmarking-Diensten’: Es kann auf einen Blick erkannt werden, ob eine ganz spezielle Quelle, die gefunden wurde, auch schon in der Bookmarkliste anderer Nutzer/innen vorkommt. Wenn das so ist, stöbert man vielleicht kurz in deren Bookmarks, denn vielleicht haben diese noch mehr gefunden, was auch für die derzeitige Recherche von Belang sein könnte. Man kann hier von einem „sozialen Entdecken“ sprechen.
Ein weiteres Szenario: Ein Thema interessiert Nutzer/innen und eine begrenzte Gruppe weiterer Personen. Sie verabreden sich, alle Fundstücke zu diesem Thema mit einem bestimmten ‚Tag’ zu versehen. So können sie einfach und schnell darüber auf dem Laufenden bleiben, welche neuen Informationen gefunden worden sind.
Eine Grenze von den eben vorgestellten ‚Bookmarking-Diensten’ besteht darin, dass nur URL (gegebenenfalls in Kombination mit Seitentitel, Textstellen, Exzerpten und Tags) gespeichert werden können. Zum wissenschaftlichen Zitieren benötigt man darüber hinaus fast immer einen Autor/innen-Namen, ein Veröffentlichungsjahr und häufig auch noch weitere Angaben (bei einem Aufsatz zum Beispiel Name und Ausgabe des Journals, in dem der Aufsatz veröffentlicht wurde). Eine Reihe von ‚Social-Bookmarking-Diensten’ wurde dazu ins Leben gerufen.
CiteULike bietet beispielsweise über die oben genannten Funktionen von ‚Bookmarking-Diensten’ hinaus Folgendes an:
- Felder für all die zusätzlichen Angaben, die neben der URL wichtig sein könnten, um Literatur zu zitieren.
- Diese zusätzlichen Angaben lassen sich in den Datenaustausch-Formaten der Literaturverwaltungswelt (zum Beispiel BibTeX, EndNote, RIS) importieren und exportieren.
- Die persönliche Kopie von (ansonsten vielleicht zugangsgeschützten) PDF kann abgespeichert und im Volltext durchsucht werden. Dies ist mittlerweile eine Standardfunktion aus dem Bereich der Literaturverwaltungsprogramme.
- Eine Gruppenfunktion macht es noch komfortabler, gemeinsam Bookmarkbeziehungsweise Literaturlisten zu bestimmten Themen oder Projekten zu pflegen.
- Eine Empfehlungsfunktion hilft dabei, wissenschaftliche Literatur zu meinem Thema zu entdecken, indem meine eigene Liste mit denen anderer CiteULike-Benutzer/innen abgeglichen wird.
Zum letztgenannten Punkt ist jedoch einschränkend hinzuzufügen, dass CiteULike nicht so populär ist wie Delicious – zum anregenden „sozialen Navigieren“ dürfte sich der Klassiker der Social-Bookmarking-Dienste daher immer noch besser eignen. Man kann übrigens beide Dienste gut parallel verwenden, da auch eine Synchronisierung der „einfachen Bookmarks“, zum Beispiel von Delicious nach CiteULike, möglich ist.
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Ausgewählte Literaturverwaltungssoftware:
Literaturverwaltung: Werkzeuge zur Quellen- und Dokumentenverwaltung
Bereits seit den 1980er-Jahren gibt es Literaturverwaltungsprogramme für PC. Die Grundfunktionen von Literaturverwaltung waren und sind (Fenner, 2010):
- Die Aufnahme strukturierter bibliographischer Daten (also zum Beispiel Autor/innen-Name, Aufsatzname, Erscheinungsjahr, URL, DOI.), und dabei insbesondere nicht nur das Eintippen solcher Daten per Hand, sondern vornehmlich das Übernehmen aus digitalen Quellen, zum Beispiel Bibliographien, Datenbanken und Katalogen.
- Das Pflegen einer eigenen Literaturliste; mit der Möglichkeit an den bibliographischen Angaben nachträglich Korrekturen vorzunehmen; aber auch Schlagworte, Exzerpte oder ähnliches zu ergänzen, heute bis hin zur Verwaltung von PDF mit den jeweiligen Volltexten oder Screenshots.
- Das Verwenden der bibliographischen Daten, um eigene Literaturlisten zu veröffentlichen, vor allem aber auch um „per Knopfdruck“ Verweise in eigene Texte einzufügen.
Kennzeichnendes Merkmal einer modernen Literaturverwaltungssoftware ist, dass es nicht mehr erforderlich ist, bewusst einen bestimmten Zitierstil anzuwenden – die richtige Anordnung der bibliographischen Angaben übernimmt die Literaturverwaltungs-Software vielmehr automatisch im Hintergrund. Per Knopfdruck können einfach verschiedene Zitierstile nacheinander durchprobiert werden; fortgeschrittene Benutzer/innen können die vorhandenen Zitier- und Literaturverzeichnis-Stile sogar manuell anpassen.
Aus dem großen Markt der Literaturverwaltungssoftware werden zwei Programme vorgestellt (siehe Box „### In der Praxis“ auf der vorherigen Seite).
Persönliches Informationsmanagement: Eine kleine Auswahl weiterer digitaler Werkzeuge
Die oben angesprochene Volltextsuche in eigenen Textdateien, abgespeicherten PDF-Dokumenten etc. möchte man kaum mehr missen, wenn man sich erst einmal an sie gewöhnt hat. Mittlerweile verfügen die verbreiteten Endanwender/innen-Betriebssysteme über eine sehr brauchbare integrierte Volltextsuche (Apple Mac OS X sowie iOS 4: Spotlight; Windows Vista sowie Windows 7: Windows Search). Daneben gibt es weitere kostenlos nachrüstbare Volltextsuchen, wie beispielsweise:
- Die freie, auf Lucene basierende Software Beagle für Linux,
- Windows Search zum Nachrüsten von Windows XP,
- xfriend (xfriend.de), unter anderem in einer kostenlosen Version, für Windows- und Linux-Betriebssysteme oder
- Google Desktop für alle marktüblichen Betriebssysteme.
Mittlerweile existieren zahlreiche Programme wie Dropbox oder Skydrive (www.dropbox.com; www.skydrive.com), mit denen sich Verzeichnisse auf der eigenen Festplatte im Hintergrund mit einem persönlichen Konto bei den jeweiligen Dienstanbieter/innen synchronisieren lassen. Wer auf mehreren Rechnern (oder mobilen Endgeräten) arbeitet, hat so die Gewissheit, stets alle gespeicherten PDF oder eigene Textdateien in ihrer aktuellen Version zur Verfügung zu haben. Neben der Synchronisation lösen Werkzeuge dieser Art auch weitgehend das Problem des „Mitnehmens“ (Wie leicht verliert man einen USB-Stick?) und des Backups relevanter persönlicher Daten. Dort, wo die entsprechende Software nicht installiert ist, kann man auf die Daten über einen Browser zugreifen. Auch ein Teilen von Daten mit anderen Benutzerinnen und Benutzern des jeweiligen Dienstes ist möglich. Meistens werden 2 GB kostenlos zur Verfügung gestellt; größere Pakete kann man gegen eine monatliche Gebühr hinzubuchen.
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