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Die Open-Access-Bewegung

Zeitgleich mit der breiteren Nutzung des Internet und seiner Medien begann die sogenannte ‚Zeitschriftenkrise‘ um sich zu greifen: Wissenschaftliche Bibliotheken waren angesichts sinkender Budgets bei gleichzeitig teilweise horrend steigenden Zeitschriftenpreisen immer weniger in der Lage, die Arbeiten ihrer Wissenschaftler/innen zurückzukaufen (siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Zeitschriftenkrise für eine kurze Zusammenfassung). Vor genau diesem Hintergrund formierte sich eine international immer stärker werdende Open-Access-Bewegung, in deren Kern die Forderung steht, dass die Ergebnisse öffentlich finanzierter Forschung auch öffentlich zugänglich sein müssen (Mruck et al., 2004). Eine frühe und bis heute zentral wichtige Definition von Open Access lautet:

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„Open Access meint, dass [...] Literatur kostenfrei und öffentlich im Internet zugänglich sein sollte, so dass Interessierte die Volltexte lesen, herunterladen, kopieren, verteilen, drucken, in ihnen suchen, auf sie verweisen und sie auch sonst auf jede denkbare legale Weise benutzen können, ohne finanzielle, gesetzliche oder technische Barrieren jenseits von denen, die mit dem Internet-Zugang selbst verbunden sind.“ (Open Society Foundation, 2010)

Einige ausgewählte Meilensteine der Open-Access-Bewegung sind:

  • 1991 wird arXiv als erster frei zugänglicher Dokumentenserver gegründet; er bietet heute Zugang zu über 650.000 E-Prints aus Physik, Mathematik, Computerwissenschaft und so weiter (http://arxiv.org).

  • 2001 startet die erste große naturwissenschaftliche Open-Access-Zeitschrift der Public Library of Science (http://www.plos.org).

  • 2002 gewinnt Open Access mit der Budapest Open Access Initiative über die Naturwissenschaften hinaus Konturen auch im Sinne einer Wendung gegen den ‚Digital Divide‘ (http://www.soros.org/openaccess/).

  • 2003 initiiert die Max-Planck-Gesellschaft die Berlin Declaration on Open Access to Knowledge in the Sciences and Humanities, die auch auf den Zugang zum kulturellen Erbe abhebt und der sich viele wichtige Institutionen und Fördereinrichtungen weltweit anschließen (http://oa.mpg.de/lang/de/berlin-prozess/).

  • 2005 startet die ‚Petition for Guaranteed Public Access to Publicly-funded Research Results‘ mit erheblicher Breitenwirkung insbesondere in Europa (http://www.ec-petition.eu/).

  • 2012 erfolgte ein Boykottaufruf gegen den Verlag Elsevier, den im August 2013 bereits 13.790 Personen unterzeichnet hatten (http://www.thecostofknowledge.com/).

  • Im April 2013 veröffentlicht Science Europe, die Dachorganisation europäischer Förderorganisationen und Großforschungseinrichtungen, ein Mission Statement ‚Principles on the Transition to Open Access to Research Publications‘ (http://www.scienceeurope.org/uploads/Public%20documents%20and%20speeches/SE_OA_Pos_Statement.pdf). Im Mai verabschiedet der Global Research Council, der weltweite Zusammenschluss wissenschaftlicher Forschungsförderungseinrichtungen, einen ‚Action Plan towards Open Access to Publications‘ (http://grc.s2nmedia.com/sites/default/files/pdfs/grc_action_plan_open_access%20FINAL.pdf).

Um die eigene Arbeit frei zugänglich zu machen, lassen sich zwei Hauptstrategien des Open Access unterscheiden: Bei dem sogenannten goldenen Weg veröffentlichen Wissenschaftler/innen direkt in Open-Access-Zeitschriften, bei dem sogenannten grünen Weg werden digitale Kopien von Artikeln, die kostenpflichtig in Print- beziehungsweise Closed-Access-Zeitschriften veröffentlicht werden, parallel oder nachträglich auf Dokumentenservern zugänglich gemacht, die zum Beispiel von Universitäten oder für Fächer beziehungsweise Fachgruppen betrieben werden (siehe hierzu das ‚Directory of Open Access Repositories‘, http://www.opendoar.org).

In der Praxis: Die Zeitschrift ‚Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research‘

Qualitative Forschungsmethoden kommen in unterschiedlichsten Disziplinen zum Einsatz. Als 1999 die Idee entstand, ein Journal zu gründen, das helfen sollte, qualitative Forschung transdisziplinär und international sichtbar zu machen und Wissenschaftler/innen aus aller Welt auf diese Weise zu vernetzen, winkten die Verlage ab – eine elektronische Zeitschrift? Die Wissenschaftler/innen nahmen dies daraufhin selbst in die Hand. Heute ist die Zeitschrift ‚Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research‘ (FQS) mit über 18.000 registrierten Leserinnen und Lesern die weltweit größte Ressource für qualitative Forschung.

Artikel werden in Deutsch, Englisch oder Spanisch begutachtet und muttersprachlich lektoriert, Redaktion und Beirat kommen aus 10 Disziplinen und 13 Ländern, alle circa 1.600 bisher veröffentlichten Artikel sind frei online zugänglich (Mruck& Mey, 2008). Eine Analyse zu Zeitschriftenpublikationen zu qualitativer Forschung in der Psychologie zeigt, dass FQS-Veröffentlichungen nicht nur maximal sichtbar sind, sondern sich auch durch eine überdurchschnittlich hohe Qualität auszeichnen (Ilg &Boothe, 2010). Eine weitere Vergleichsstudie begutachteter Zeitschriften zu qualitativer Forschung zeigt, dass FQS Frauen im Vergleich zu herkömmlichen gedruckten Closed-Access-Journalen wesentlich höhere Publikationschancen bietet (Tüür-Fröhlich, 2011). Eine Evaluation unter Lesenden und Autor/innen ergab, dass die, die Erfahrungen mit Open-Access-Publizieren haben, nicht nur Wert auf die erhöhte (weltweite) Sichtbarkeit ihrer Forschungsarbeit legten, sondern auch unmittelbare Resonanz (in Form von Kooperationsangeboten, Einladungen zu weiteren Beiträgen oder zu Konferenzen etc.) erfuhren (Koch et al., 2009). URL: http://www.qualitative-research.net/index.php/fqs

Open Access ermöglicht aufgrund des schnellen und freien Zugangs und der daraus folgenden guten Auffindbarkeit wissenschaftlicher Arbeiten über Suchmaschinen und Nachweisdienste die Verbesserung der Informationsversorgung und das Sichtbarmachen (neuer) Themen (besonders wichtig bei Randthemen; Zawacki-Richter et al., 2010). Insgesamt trägt Open Access wesentlich zur Förderung internationaler und interdisziplinärer Zusammenarbeit und von Forschungseffizienz durch die rasche Diskussion von Forschungsergebnissen bei.

Open Access hat sich zunehmend weltweit organisiert: Seit 2009 gibt es die ‚Open Access Week‘ (http://www.openaccessweek.org/), hervorgegangen aus dem ‚National Day of Action for Open Access‘ in den USA, in deren Rahmen weltweit Veranstaltungen und Diskussionen stattfinden. Seit 2007 werden im deutschsprachigen Raum jährlich die ‚Open-Access-Tage‘ (http://open-access.net/de/aktivitaeten/open_access_tage/) ausgerichtet. Die Plattform open-access.net (http://open-access.net/) bündelt Informationen.

Mittlerweile beschränkt sich die Forderung nach Open Access nicht mehr nur auf wissenschaftliche Fachzeitschriften, sondern es geht zunehmend auch um Open Access zu Monografien, zu Daten und prinzipieller zu kulturellem Erbe (Deutsche UNESCO-Kommission, 2007). Mit einigem Recht kann für einige Länder wie Großbritannien, Holland, aber auch die Bundesrepublik Deutschland gesagt werden, dass Open Access wissenschaftspolitisch mehr und mehr zum herrschenden Paradigma geworden ist: die Hochschulrektorenkonferenz, große Forschungseinrichtungen sowie Fördereinrichtungen wie die Volkswagenstiftung und die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützen Open Access. Letztere treiben die Verbreitung von Informationen über Open Access sowie von Open-Access-Publikationsmodellen aktiv voran, indem sie die freie Verfügbarkeit in ihre Förderrichtlinien aufnehmen oder sich um ein wissenschaftsfreundlicheres Urheberrecht bemühen.

Diese Bemühungen haben zwischenzeitlich auch positive Resonanz bei allen Bundestagsfraktionen gefunden. Und auch zum Beispiel in Österreich und der Schweiz haben die nationalen Fördereinrichtungen Open Access in ihre Richtlinien aufgenommen (siehe http://www.dfg.de/dfg_magazin/forschungspolitik_standpunkte_perspektiven/open_access/ für die DFG, http://www.fwf.ac.at/de/public_relations/oai/ für den österreichischen FWF und http://www.snf.ch/D/Aktuell/Dossiers/Seiten/open-access.aspx für den schweizerischen SNF).