Autorinnen- und Autorenwerkzeuge und Lerncontentmanagementsysteme: Was wird zur Erstellung von Lernmaterialien benötigt?
Materialien für das Lernen am Computer können schon mit einfachen HTML-Editoren und Entwicklungsumgebungen erstellt werden. Die Lehrenden verfügen aber oft nicht über die nötigen (Programmier-)Kenntnisse, um mit diesen einfachen und unspezialisierten Werkzeugen ansprechende Lernmaterialien zu erstellen. Autorinnen- und Autorenwerkzeuge wurden daher speziell dafür entwickelt, um die Anwender/innen bei der multimedialen und didaktischen Aufbereitung der Lerninhalte zu unterstützen (Seufert & Mayr, 2002).

Der Vorteil professioneller Autorinnen- und Autorenwerkzeuge besteht also darin, weitestgehend ohne Programmierkenntnisse ansprechende Lehr- und Lernmaterialien erstellen zu können. Hierzu werden Funktionalitäten bereitgestellt, die es der/dem Lehrenden erlauben, möglichst intuitiv mit den eingesetzten Medien umzugehen (Thome, 2004, 278) und dies weitestgehend, ohne auf externe Werkzeuge zurückgreifen zu müssen.
- Die Erstellung und Formatierung von Texten sollte in einem sogenannten WYSIWYG-Editor („What-You-See-Is-What-You-Get“-Editor mit grafischer Oberfläche wie zum Beispiel bei Microsoft Word) stattfinden, in dem alle Änderungen sofort dargestellt werden.
- Für das bequeme Verwenden von Grafiken sollte das Werkzeug nicht nur den Import gängiger Grafikformate (zum Beispiel BMP, JPG, PNG, GIF, TIF, SVG), sondern auch einfache Änderungen, wie zum Beispiel das Zuschneiden der Grafik, Änderung der Bildgröße oder einfache Bildmanipulationsmöglichkeiten (z. B. Änderung von Helligkeit und Kontrast, Einfügen von Texten und Hinweissymbolen) unterstützen.
- Für die Einbindung von gängigen Videoformaten (zum Beispiel AVI, MPG, FLV) sollten Abspiel- und Steuerungsmöglichkeiten verfügbar sein. Auch hier sind integrierte Funktionen für kleine Anpassungen, wie das Ändern der Videogröße, hilfreich, um nicht auf externe Programme zur Videobearbeitung zurückgreifen zu müssen.
- Die Integration von Audiosequenzen (zum Beispiel MP3, WAV) sollte ebenso zum Funktionsumfang eines professionellen Autorinnen- und Autorenwerkzeugs gehören. Auch wenn stets davon abgeraten wird, die Lernenden durch Hintergrundmusik oder unnötige Soundeffekte zu stören: für einige Lernbereiche sind kurze Audiosequenzen unerlässlich, zum Beispiel in der Musik oder beim Erlernen von Fremdsprachen.
- Einfache Animationen, wie beispielsweise das Verschieben von Objekten mit dem Cursor (Drag-and-Drop), sollten sich ohne die Verwendung einer Programmiersprache umsetzen lassen.
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Die Möglichkeiten zur Überprüfung des Lernerfolgs spielen für viele Autorinnen und Autoren eine große Rolle. Hier soll es möglich sein, in wenigen Schritten Fragen zu erstellen, die automatisch ausgewertet werden können. Die Verfügbarkeit verschiedener Fragetypen wie beispielsweise Multiple- und Single-Choice, Zuordnungsfragen oder Lückentexte ist dabei ebenso wichtig wie die Möglichkeit, den Lernenden je nach Ergebnis ein differenziertes Feedback geben zu können.

Vorlagen erleichtern das Erstellen einheitlicher Kursabschnitte und die Einhaltung einer konsistenten Navigation.
Um den fertigen Kurs schließlich verteilen zu können, müssen die Kurse so exportiert werden, dass die Lernenden sie bearbeiten können. Hierfür sind zunächst Exportmöglichkeiten als selbstlaufende Anwendungen (zumeist .exe) oder als HTML-Dateien für die Darstellung im Browser geeignet. Um den Kurs über ein Lernmanagementsystem bereitzustellen, sollte er in dem hierfür etablierten Standardformat SCORM exportiert werden können. Dieser E-Learning-Standard ermöglicht den Einsatz von Kursen auf verschiedenen Plattformen und deren Interoperabilität, das heißt, dass beispielsweise Testergebnisse aus dem Kurs heraus an die Bewertungswerkzeuge des Lernmanagementsystems übergeben werden können (siehe auch Kapitel #metadaten).
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Autorinnen- und Autorensysteme unterstützen die Erstellung von Lernmaterialien (weitestgehend) ohne Programmierkenntnisse. Sie müssen folgende Anforderungen erfüllen:
- Funktionen zur Textverarbeitung,
- Integration und Anpassung von Grafiken,
- Einbettung und Steuerung gängiger Videoformate,
- Einbinden von steuerbaren oder automatisch startenden Audiosequenzen,
- Erstellen einfacher Animationen,
- Einfache Erstellung von Wissenstests mit automatisierter Auswertung und differenziertem Feedback,
- Unterstützung von Vorlagen und einheitlicher Navigationsstrukturen und
- Exportmöglichkeiten als selbstlaufende Anwendung, als HTML-Dateien und SCORM-Paket.
Für Autorinnen und Autoren bieten solche Werkzeuge oft alle nötigen Funktionalitäten, um Lernmaterialien professionell und in relativ kurzer Zeit zu erstellen. Die Erstellung von Lernmaterialien, insbesondere bei größeren Lehrveranstaltungen oder Trainingsreihen, werden aber immer öfter von Teams von Autorinnen und Autoren übernommen.
Bei der Zusammenarbeit mehrerer Autorinnen und Autoren und anderen steigenden Ansprüchen stößt man schnell an die Grenzen der Einzelplatzlösungen (Kuhlmann & Sauter, 2008, 78):
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Konsistente Darstellung: Trotz genauer Vorgaben zur Gestaltung der Lernmaterialien können sich die Umsetzungen verschiedener Autorinnen und Autoren visuell voneinander unterscheiden. Um besondere Inhaltselemente wie beispielsweise Zitate, Hervorhebungen, Erläuterungen oder Beispiele einheitlich dazustellen, ist oft eine sorgfältige (gegenseitige) Begutachtung nötig.
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Individualisierung und Überarbeitung der Kurse: Um dieselben Lerninhalte an unterschiedliche Lernkontexte anzupassen, müssen einzelne Inhalte neu und zielgruppengerecht zusammengestellt werden. So entsteht eine Vielzahl von Kursen, die nicht nur umständlich einzeln erstellt werden müssen, sondern auch schwierig zu aktualisieren und zu warten ist, da der Überblick über die verwendeten Inhalte und überarbeiteten Teile schnell verloren geht. Als Konsequenz scheuen viele Autorinnen und Autoren komplexe Individualisierungen von Kursen und entscheiden sich für Einheitslösungen, die aber oft nicht die individuellen Lernziele der Lernenden berücksichtigen können.
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Internationalisierung: In Hochschulen und Bildungseinrichtungen mit internationaler Ausrichtung, vor allem aber in global agierenden Unternehmen werden Lernmaterialien in verschiedenen Landessprachen benötigt. Ebenso wie bei der individuellen Zusammenstellung von Lernmaterialien besteht auch hier das Problem, dass eine Vielzahl von Kursen mit gleichen Lerninhalten erstellt wird, deren Verwaltung schnell unübersichtlich wird.
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Verteilung in verschiedenen Formaten: Je nach Zielgruppe und deren Lern- und Arbeitsgewohnheiten kann die Veröffentlichung der Kurse in verschiedenen Formaten nötig sein. Während Kurse zur Integration auf einer Webseite (HTML) oder einem LMS (SCORM) problemlos mit einem Autorinnen- und Autorenwerkzeug erstellt werden können, erfordern andere Ausgabeformate eine völlig andere Kursgestaltung. So sollten Lernmaterialien, die für den Druck gedacht sind, beispielsweise keine Videos beinhalten. Kurse für mobile Endgeräte sollten dagegen die kleineren Bildschirmgrößen und Einschränkungen bei der Bedienung (zum Beispiel keine oder nur kleine Tastatur) berücksichtigen (siehe Abbildung 5).
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Verschiedene Ausgabeformate: Unabhängig vom Erstellungsprozess sollen die Lernmaterialien so veröffentlicht werden, dass sie den Lern- und Arbeitsgewohnheiten der Lernenden entsprechen. Neben den üblichen Formaten (EXE, HTML und SCORM) sollte beispielsweise das Ausdrucken der Lernmaterialien (PDF, Office Dokument), Präsentieren (PPT) oder auch die Betrachtung auf kleinen Bildschirmen (mobile Endgeräte) möglich sein.
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Workflow-Unterstützung: Zur Koordination mehrerer Autorinnen und Autoren sollte die Verteilung der Aufgaben und die Festlegung der Verantwortlichkeiten unterstützt werden. Hierzu gehören ein Rollenmanagement, über das die Befugnisse für die Lerninhalte geregelt werden können, und die Möglichkeit, Notizen zur fachlichen und didaktischen Qualitätssicherung zu hinterlegen.

In der Praxis: Wann werden mehrere Autorinnen und Autoren benötigt?
Beim Vorliegen einer oder mehrerer folgender Gründe ist die Zusammenarbeit mehrerer Autorinnen und Autoren notwendig (Lorenz &Faßmann, 2010): (a) Die Erstellung der Lernmaterialien ist für eine/n Autor/in zu umfangreich. (b) Für Fachwissen sollen bzw. müssen die jeweiligen Expertinnen und Experten eingebunden werden. (c) Für die Erstellung und Anbindung von Medien müssen Designerinnen und Designer auf die Lernmaterialien zugreifen können. (d) Es werden Übersetzerinnen und Übersetzer für die Bereitstellung der Lerninhalte in andere Sprachen benötigt. (e) Die erstellten Lerninhalte müssen zur Qualitätssicherung von Gutachterinnen und Gutachtern oder Kundinnen und Kunden eingesehen und gegebenenfalls mit Kommentaren versehen werden können.
Zur Erfüllung dieser Ansprüche wurden Werkzeuge entwickelt, die ihren Fokus auf die Verwaltung von Lerninhalten gerichtet haben: die Lerncontentmanagementsysteme (LCMS). Um die Lernmaterialien so zu organisieren, dass sie für den Einsatz in verschiedenen Kontexten und die Verteilung in verschiedenen Formaten geeignet sind, müssen die LCMS eine Reihe von Grundprinzipien umsetzen (Schluep et al., 2003, 8852):
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Zentralisierung: Um die Zusammenarbeit von mehreren Autorinnen und Autoren zu ermöglichen, müssen die Lernobjekte in einer gemeinsamen Datenbasis (einem sogenannten Repository) vorliegen, auf die alle Beteiligten zugreifen können. Das verhindert auch, dass durch die lokale Speicherung der Daten mehrere Versionen der Lernmaterialien entstehen, die den mehrfachen Einsatz in verschiedenen Kursen erschweren. Deshalb werden die Lernmaterialien in den Kursen nur referenziert, das heißt, sie werden nicht direkt in den Kurs eingefügt, sondern es wird eine Verbindung zum Lernmaterial gespeichert, sodass stets die aktuelle Version verwendet wird.
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Einbettung von Multimedia: Für die multimediale Aufbereitung der Lernmaterialien sollten Standardmechanismen zur Integration verschiedener Medienformate bereitstehen.
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Lernobjekte als kleinste verwaltbare Einheit: Um einzelne Teile von bereits erstellten Lernmaterialien in verschiedenen Kontexten wiederverwenden zu können, sollten die Lerninhalte in sinnvolle Abschnitte, so genannte Lernobjekte, untergliedert werden. Andere geläufige Bezeichnungen für Lernobjekte sind Lernressourcen, Wissensbausteine oder Wissensobjekte, sowie die englischen Bezeichnungen, wieReusable LearningObject (RLO), Instructional oder EducationalObject. Wichtig ist dabei, dass jedes Lernobjekt in sich abgeschlossen und somit unabhängig von anderen Lernobjekten und deren Reihenfolge eingesetzt werden kann.
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Unterstützung der Internationalisierung: Zu einem Lernobjekt sollten mehrere Sprachversionen angelegt werden können, ohne dass der Bezug zueinander verloren geht.
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Trennung von Inhalt und Layout: Um bei der Veröffentlichung der Lernmaterialien zwischen verschiedenen Ausgabeformaten, Navigationsstrukturen und Layouts wählen zu können, müssen diese getrennt voneinander gespeichert werden. Hierzu werden meist XML-basierte Beschreibungssprachen verwendet.
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