Planung und Organisation
In diesem Kapitel wird beschrieben, wie die Planung und Organisation von Bildungsprozessen durch digitale Technologien unterstützt werden können. Dabei werden, ausgehend von didaktischen Fragestellungen, beispielhaft verschiedene Tools vorgestellt, die den Bildungsprozess unterstützen. Der Bildungsprozess wird dabei gemäß dem Bildungszyklus in (1) die Bildungsbedarfsanalyse, (2) die Planung der Interaktionsprozesse, (3) die Nachbereitung und (4) die Evaluation des Lernprozesses aufgeteilt. In der Phase der Planung des Lernprozesses können beispielsweise durch Technologieunterstützung die Erwartungen, Bedürfnisse und Vorkenntnisse der Lernenden erfasst werden. Heterogene Anforderungs- und Kompetenzprofile der Teilnehmenden lassen sich dadurch besser berücksichtigen und Lernprozesse gezielter, und damit effektiver, planen und evaluieren. Der Schwerpunkt dieses Kapitels liegt auf der Unterstützung der Planung und Organisation von Bildungsprozessen durch digitale Technologien. Dabei wird anhand von Anwendungsfällen dargestellt, wie Kompetenzmanagementsysteme, Social-Networking-Plattformen, Wikis, Weblogs, Videos und Diskussionsforen zur Unterstützung von Lernprozessen eingesetzt werden können. Wesentlich ist, dass Technologien nicht zum Selbstzweck eingesetzt werden, sondern in Abstimmung mit den gesetzten Lernzielen und den Lernvoraussetzungen der Teilnehmenden entwickelt und implementiert werden.
- Bildungszyklus als Ordnungsraster
- Bildungsbedarf bestimmen
- Planung und Konzeption didaktischer Interaktionen
- Nachbereitung des Bildungsprozesses
- Evaluation des Bildungsprozesses
- Zentrale Erkenntnisse
- Literatur
Bildungszyklus als Ordnungsraster
Neben der Unterstützung der Interaktion von Lernenden und Dozierenden lassen sich digitale Technologien auch für eine effektive Planung und Organisation von Bildungsangeboten einsetzen.

Abbildung 1 zeigt mit dem so genannten „Bildungszyklus“ ein heuristisches Modell zur Organisation von Bildungsprozessen entlang von fünf Schritten (Euler et al., 2009). Dieses Modell wird im vorliegenden Beitrag als Ordnungsraster genutzt. Bei jedem Schritt werden Beispiele für einen möglichen Technologieeinsatz vorgestellt. Vorwiegend wird dabei auf den Unternehmenskontext Bezug genommen, wobei die Ausführungen prinzipiell auch auf andere Organisationen übertragen werden können.
Der Fokus dieses Kapitels liegt auf der Unterstützung der Planung und Organisation von Bildungsprozessen durch digitale Technologien. Da in anderen Kapiteln bereits auf die technologiebasierte Durchführung und Gestaltung von Bildungsveranstaltungen in unterschiedlichen Kontexten eingegangen wurde, wird dieser Teil des Bildungszyklus (Abb. 1, Schritt drei) hier nicht weiter behandelt (siehe Kapitel #sekundaruntericht #hochschule).
Bildungsbedarf bestimmen
Der erste Schritt bei der Planung eines Bildungsprozesses besteht darin, zu bestimmen, in welchen Bereichen Bildungsbedarf vorhanden ist, das heißt welche Kompetenzen der Lernenden (weiter)entwickelt werden sollen. Dabei kann es sich um fachliche, soziale oder um Selbstkompetenzen (zum Beispiel Arbeits- und Zeitplanung) handeln (Euler & Hahn, 2007, 133-134). Hinsichtlich der unterschiedlichen Kompetenzen bestehen noch weitere Typologien. Beispielsweise unterscheiden Erpenbeck und Sauter (2007) zwischen personalen, aktivitätsbezogenen, fachlich-methodischen und sozial-kommunikativen Kompetenzen oder Kauffeld und Grote (2000) zwischen Fach-, Methoden-, Selbst- und Sozialkompetenz. Ausgehend von den festgestellten Kompetenzbedarfen lassen sich Lernziele ableiten, welche die Gestaltung der Lernprozesse leiten (siehe Abschnitt 3).
Der Soll-Zustand lässt sich mit Bezug auf unterschiedliche Anspruchsgruppen bestimmen: Dabei nehmen u.a. die persönlichen Bildungsinteressen der/des Lernenden, Anforderungen der unmittelbaren Arbeitsumgebung (zum Beispiel eines Teams) oder die strategischen Ziele eines Unternehmens Einfluss (Domsch, 1993). Mit dem Soll-Zustand wird festgelegt, welches Wissen und welche Fertigkeiten die Lernenden zukünftig aufweisen sollen. Im Kontext Schule und Hochschule können analog dazu verschiede Anspruchsgruppen ausgemacht werden, etwa Ansprüche der Fachwissenschaft sowie Erwartungen des Arbeitsmarktes an Schul- und Hochschulabsolvierende. Für die Durchführung einer Bildungsbedarfsanalyse stehen unterschiedliche Instrumente zur Verfügung (ebenda):
- Personalplanungen
- Arbeitsplatzbeschreibungen
- (betriebliche) Kennzahlen (zum Beispiel Fluktuation, Kundenreklamationen, Fehlerquoten)
- Befragungen der Mitarbeiter/innen und Führungskräfte
- Bedarfserfassung in Workshops
- Unternehmensstrategie
- Arbeitsplatzanalysen
- Mitarbeiter/innen-Gespräche
In der (betrieblichen) Praxis stellen sich bei der Anwendung dieser Instrumente verschiedene Herausforderungen, denen mithilfe digitaler Technologien begegnet werden kann. Speziell die flexible Erfassung individueller Bildungsbedürfnisse einzelner Mitarbeiter/innen oder Teams gestaltet sich oft schwierig, weil sowohl die bereits vorhandenen Kompetenzen als auch künftige Entwicklungsbedürfnisse erhoben werden müssen.
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Der Bildungsbedarf ergibt sich aus einem Abgleich zwischen dem aktuell vorhandenen Kompetenzniveau einer oder eines Lernenden (Ist-Zustand) mit dem angestrebten Soll-Zustand (Kaufman, 2001, 85).
Kompetenzmanagementsysteme
Technisch lässt sich die Bestimmung des Bildungsbedarfs eines Unternehmens in so genannten Kompetenzmanagementsystemen abbilden. Dabei handelt es sich um Softwaresysteme, die Unternehmen dabei unterstützen, (1) Kompetenzmodelle zu erstellen, um den Soll-Zustand im Unternehmen zu definieren, (2) den Kompetenzstand von Mitarbeitenden in Unternehmensbereichen und im Gesamtunternehmen zu bestimmen und darauf aufbauend (3) Maßnahmen zur Rekrutierung und Weiterbildung zu planen. Kompetenzmanagement kümmert sich also unmittelbar um die Bilanzierung der in einem Unternehmen benötigten und vorhandenen Kompetenzen. Mittlerweile gibt es zahlreiche Kompetenzmanagement-Modelle (z. B. ASSESS, KODE), wobei diese Tools einige zentrale Elemente gemeinsam haben (Jumpertz, 2007):
- Ein zentrales Kompetenzmodell mit Teilkompetenzen und Indikatoren zur Kompetenzbestimmung.
- Diagnosetools zur Kompetenzerfassung bei einzelnen Mitarbeitenden, aber auch in Unternehmenseinheiten.
- Dokumentations- und Planungshilfen zur Gestaltung von Bildungsmaßnahmen.
Das nachfolgende Praxisbeispiel zeigt, wie sich ein Kompetenzmanagementsystem mit anderen Werkzeugen zur Erhebung und zum Management des Bildungsbedarfs ergänzen lässt.
In der Praxis: Bildungsbedarfserhebung bei IBM
Beim Unternehmen IBM wird die Erhebung des Bildungsbedarfs mit drei Instrumenten unterstützt (Seufert et al., 2007, 82-83): einem (1) Personal Development (PD)-Tool zur Einschätzung der eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen, den (2) Personal Business Commitment (PBC)-Zielen, welche die auf den eigenen Bereich heruntergebrochenen Unternehmensziele beinhalten, sowie dem (3) Individual Development Plan (IDP), welcher die zur Zielerreichung notwendigen Kompetenzen dokumentiert sowie aufzeigt, wie diese entwickelt werden können. Für die einzelnen Mitarbeitenden bedeutet dies, dass sie jährlich in Zusammenarbeit mit ihren Führungskräften kurz- und langfristige Ziele für das kommende Jahr festlegen. Diese werden im Individual Development Plan (IDP) festgehalten. Gleichzeitig werden diese Ziele mit den geschäftlichen Verpflichtungen (Personal Business Commitment, PBC) verknüpft. Etwa zeitgleich erfolgt die Erfassung der eigenen Kompetenzen im Personal Development (PD)-Tool. Anhand dieser beiden Einschätzungen (PBC und PD) werden die Entwicklungsmaßnahmen jeder Mitarbeiterin und jedes Mitarbeiters identifiziert und somit der Beitrag der einzelnen Mitarbeitenden zur Erreichung der Unternehmensziele sowie der eigenen Karriereziele dokumentiert.
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Welche (gegebenenfalls widersprüchlichen) Zielsetzungen stehen sich bei der Ermittlung des Bildungsbedarfs in einem Unternehmen gegenüber?
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Mit welchen Herausforderungen sind Bildungsverantwortliche bei der Nutzung von digitalen Technologien zur Bedarfserhebung konfrontiert?
Planung und Konzeption didaktischer Interaktionen
Im Anschluss an die Bildungsbedarfsanalyse folgen die Planung und Konzeption der eigentlichen didaktischen Interaktion. Neben organisatorischen Aspekten geht es darum, Ziele, Inhalte, Methoden und eingesetzte Medien festzulegen und vorzubereiten. Besonders wichtig ist es in dieser Phase, die Voraussetzungen der Lernenden sowie die organisatorischen Rahmenbedingungen zu erfassen, indem bereits im Vorfeld die Teilnehmenden kontaktiert werden, um deren Vorkenntnisse sowie Anliegen abzufragen. Diese Informationen dienen als Grundlage für die didaktische Gestaltung der Lernumgebung, die auf die angesprochenen Lernenden abgestimmt ist (Götz & Häfner, 1998, 73). „Lernvoraussetzungen bezeichnen diejenigen Handlungskompetenzen, die vor Beginn eines Lernprozesses beim Lernenden als lernbedeutsam vermutet werden“ (Euler et al., 2009, 16). Gerade in technologieunterstützten Lernumgebungen gehören zu den Lernvoraussetzungen nicht nur die Vorkenntnisse der Lernenden in Bezug auf die angestrebten Lernziele. Vielmehr ist auch zu eruieren, inwieweit die Lernenden über die notwendigen Lern- und Medienkompetenzen verfügen, um die eingesetzten technischen Werkzeuge sowie die geplanten Lernprozesse sinnvoll zu nutzen.
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Bei der Erfassung von Lernvoraussetzungen spielen Technologien in zweifacher Hinsicht eine Rolle:
- Lerntechnologien können eingesetzt werden, um die Lernvoraussetzungen von Mitarbeitenden flexibel und individuell aufzunehmen.
- Die im Umgang mit Lerntechnologien notwendigen Medienkompetenzen stellen selbst eine Lernvoraussetzung dar, die es während der Planung von Lernprozessen zu berücksichtigen gilt.
Die Lernvoraussetzungen der Teilnehmenden haben in mehrerlei Hinsicht Bedeutung für die Planung des didaktischen Designs. Zwei wichtige Planungsprozesse, bei denen auf die Lernvoraussetzungen zu achten ist, werden im Folgenden beschrieben.
Lernziele als Planungsgrundlage
Aufbauend auf den Bildungsbedarfen (Abschnitt 2) sind entsprechende Lernziele zu bestimmen. Diese Ziele dienen als Referenzrahmen für die Auswahl der einzusetzenden Medien und Methoden. ### In der Praxis bleibt die explizite Verknüpfung von Lernzielen und eingesetzten Medien und Methoden häufig auf der Strecke. Zum Teil werden Werkzeuge eher um ihrer selbst willen eingesetzt (nach dem Motto: ‚Hier würde doch ein Blog gut passen.‘), als zum Erreichen bestimmter Lernziele.
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Der Einsatz von Technologien ist in Abstimmung mit den gesetzten Lernzielen zu planen. Bei der Festlegung der Lernziele sollten auch die Medienkompetenzen berücksichtigt werden, die im Umgang mit den eingesetzten Lerntechnologien notwendig sind.
Methoden- und Medienwahl
Hier stellt sich die Frage, welches Medium oder welche Methode sich für welchen Zweck eignet. Dies steht in direktem Zusammenhang mit der Entscheidung über die geeignete Kombination aus formellem und informellem Lernen. Unter formellem Lernen werden organisierte Lernprozesse verstanden, die in der Regel in institutionellen Settings stattfinden. Dagegen bezeichnet informelles Lernen das selbstorganisierte Aneignen von Kompetenzen, das häufig in den Arbeitsprozess integriert ist (Straka, 2004). Heute wird gerade in Unternehmen davon ausgegangen, dass Blended-Learning-Settings, also die Kombination von E-Learning- und Präsenzlernphasen, eine für viele Rahmenbedingungen geeignete Lernform darstellen. Wie genau diese Phasen kombiniert werden, hängt wiederum zu einem wesentlichen Teil von den Lernvoraussetzungen ab: Verfügen die Lernenden über ausgeprägte Erfahrungen, etwa mit technologiegestützter Kollaboration, können beispielsweise virtuelle Teamarbeiten mit einem hohen Selbstorganisationsanteil geplant werden. Handelt es sich um Lernende, die relativ geringe Erfahrung im Umgang mit solchen Lehr-/Lern-Settings haben, sind gegebenenfalls mehr Präsenzphasen oder stärkere Unterstützungsangebote vorzusehen. Prinzipiell bietet es sich an, bei Teamarbeiten Gruppen zu bilden, in denen Lernende mit unterschiedlichen Lernvoraussetzungen zusammentreffen. So können beispielsweise Defizite im Bereich der Medienkompetenz bis zu einem gewissen Grad mithilfe der Unterstützung von Mitlernenden ausgeglichen werden. Unabhängig davon, welche Technologien eingesetzt werden, sollten Einstiegshürden möglichst gering gehalten und der Nutzen des Technologieeinsatzes deutlich aufgezeigt werden, damit die Lernenden die unterstützende Funktion des Technologieeinsatzes erkennen und nicht durch technische Hürden demotiviert werden.
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Die festgestellten Lernvoraussetzungen sind ein wichtiges Kriterium bei der Planung von Präsenz- und E-Learning-Phasen im Lernprozess sowie für die Auswahl der eingesetzten Medien. Bei der Organisation kollaborativer Lernprozesse sollte darauf geachtet werden, Lernende mit unterschiedlichen Lernvoraussetzungen zu kombinieren. Gegenseitige Peer-Unterstützung kann etwaige Kompetenzdefizite zu einem gewissen Grad auffangen.
In der Praxis: Erfassung und Gestaltung von Lernvoraussetzungen beim Swiss Centre
for Innovations in Learning (scil)
Bei allen Kursen im Rahmen des scil Aus- und Weiterbildungsanagebots werden unterschiedliche Instrumente eingesetzt, um vor Kursbeginn Lernvoraussetzungen und Erwartungen der Teilnehmenden zu erfassen. Mittels eines Online-Fragebogens im Learning Management System werden erfasst:
- Erwartungen an die Bildungsmaßnahme und individuelle Lernbedürfnisse
- der jeweilige Kompetenzstand in den verschiedenen Themenbereichen des Kurses
- die Bedeutsamkeit einzelner Themenbereiche für die Teilnehmenden bzw. deren Organisation
- individuelle Lern- und Medienkompetenzen
Das Kursforum wird zum Austausch folgender Informationen zwischen den Kursteilnehmenden genutzt:
- Kurzvorstellung zum gegenseitigen Kennenlernen bereits vor dem Präsenztermin
- Sammeln von Herausforderungen im Arbeitsalltag der Teilnehmenden in Bezug auf das Kursthema
Die Trainer/innen nutzen diese vorab erhobenen Informationen für die:
- Feinabstimmung der Lernziele und Inhalte
- Einteilung von Lernendenteams mit heterogenen Vorerfahrungen zur Gruppenarbeit im Kurs
- Auswahl geeigneter Lerntechnologien
- Planung von Einführungen und Tutorials zum Umgang mit den entsprechenden Tools
Nachbereitung des Bildungsprozesses
Vernetzung der Lernenden
Bei unternehmensweit angebotenen Seminaren fehlt im Nachgang zu Präsenzveranstaltungen oft die Möglichkeit zum weiteren Austausch unter den Teilnehmenden sowie zum gemeinsamen Zugriff auf Dokumente, Erfahrungsberichte und Ähnliches. Insbesondere bei längerfristig angelegten Bildungsangeboten besteht hier einerseits ein Bedürfnis von Seiten der Teilnehmenden, andererseits bieten Transfernetzwerke eine Chance für die Organisatoren von Bildungsprozessen, den Wissensaustausch zu unterstützen (Brahm, 2009a).
Im Anschluss an eine Bildungsmaßnahme können Social Networking Tools (Beispiele für diese Tools finden sich in den Links zum Kapitel auf diigo.com) eingesetzt werden, um die Teilnehmenden im Arbeitsalltag zu vernetzen und den Austausch zu fördern. Lernende, die gemeinsam einen Lernprozess durchlaufen haben und sich auch nach Abschluss der formellen Lernphase austauschen, können sich in Gruppen organisieren, um ihre Erfahrungen in Bezug auf die praktische Anwendung des Gelernten zu sammeln und gegebenenfalls Strategien zur Überwindung von Transferhürden zu entwickeln.
Förderung von Reflexion
Eine weitere Möglichkeit der Transferförderung besteht in der gezielten Unterstützung von Reflexionsprozessen. Hierzu sollten Reflexionsfragen formuliert werden, die bewusst zum Nachdenken über die Anwendung des Gelernten anregen. Reflexionen können den Blick auf mögliche Anwendungsfehler oder Barrieren in der Arbeitspraxis schärfen. Dadurch unterstützen sie die Lernenden dabei, Anwendungsgelegenheiten für das Gelernte zu erkennen, diese gezielt zu planen, durchzuführen und anschließend zu bewerten. Die Anleitung für solche Reflexionsprozesse erfolgt idealerweise bereits in einer Präsenzphase. Damit verzahnen sie sich mit den Elementen der Transferförderung aus der Lernsituation (Burger, 2005).
Das lässt sich zum Beispiel fördern, indem ein Weiterbildungsseminar mit Weblogs im Sinne elektronischer Lernportfolios begleitet wird. Die Lernenden werden bereits im Präsenzteil aufgefordert, regelmäßig ihre Erfahrungen und Eindrücke zu dokumentieren und zu reflektieren. Diese Reflexionspraxis wird auch in der Transferphase am Arbeitsplatz weitergeführt.
Aufgabe der oder des Lehrenden ist es dabei, die Reflexion mithilfe geeigneter Fragen systematisch anzuleiten und Feedback zu geben. Die Kommentarfunktion ermöglicht Rückmeldungen, sowohl von anderen Lernenden als auch von der Lehrperson.
Der Nachbereitung von Bildungsveranstaltungen wird oft nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Gerade in Arbeitskontexten ist diese Phase jedoch äußerst wichtig, um die Nachhaltigkeit von Lernprozessen sicherzustellen. Dabei geht es im Wesentlichen um die Unterstützung des Transfers vom Lernkontext in den Anwendungskontext. Dies ist vor allem bei klassischen Bildungsangeboten, zum Beispiel Seminaren, notwendig.
In der Forschung zum Lerntransfer in Unternehmen wurden in verschiedenen Untersuchungen Hürden identifiziert, die den Transfer von Wissen und Fertigkeiten beeinträchtigen oder verhindern (Holton III et al., 2003).
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Transferhindernisse können auf unterschiedlichen Ebenen liegen: (a) bei der bzw. bei dem Lernenden selbst, (b) bei der Lernmaßnahme und (c) im Arbeitskontext der/des Lernenden (weiterführende Hinweise zu den Transferhürden in Brahm, 2009a)
Besonders die flexibel einsetzbaren und einfach anzuwendenden Web-2.0-Technologien eignen sich gut, um im Nachgang einer Bildungsmaßnahme den Transfer in die (Arbeits-)Praxis zu begleiten. Im Folgenden wird ein Beispiel der Transferbegleitung erläutert.
In der Praxis: Transferförderung bei Hewlett-Packard
Mit dem Hauptziel der Vernetzung unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wurde bei der Hewlett-Packard GmbH eine Social Networking-Plattform eingeführt (Brahm, 2009b, 42-43). Auf der Plattform verfügt jede/r Mitarbeitende über ein voreingerichtetes Profil, das die wesentlichen Informationen zur Person enthält, zum Beispiel Name, organisatorische Zugehörigkeit und Kontaktdaten. Zusätzlich werden Beiträge aus anderen Kollaborationsplattformen wie Blogs, einer internen wiki-basierten Enzyklopädie oder Foren in das Profil integriert. Damit erhält man schnell umfangreiche Informationen über − zum Teil bislang unbekannte – Kolleginnen und Kollegen. Zur Profilpflege werden innerhalb bestimmter Kategorien so genannte Tags angelegt, das heißt Schlagwörter, welche die eigenen Kompetenzen, Interessen etc. beschreiben.
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Welche weiteren Maßnahmen könnten im Arbeitskontext der/des Lernenden die Transfersicherung unterstützen?
Integration von Lern- und Anwendungsfeld
Generell gilt, dass digitale Tools zur Transferunterstützung so in das didaktische Setting integriert werden sollten, dass eine Verbindung zwischen Lern- und Arbeitsfeld hergestellt wird. Technologien, die in der Transferphase eingesetzt werden, sollten daher bereits während einer Lernphase, zum Beispiel in der Präsenzveranstaltung, als Lernmedien eingesetzt und/oder in der Vor- und Nachbereitung zur Unterstützung der Teilnehmenden Verwendung finden (Brahm, 2009a).
Beispiel: In einem Unternehmen werden kurze Videos zur Illustration der Lerninhalte zur Verfügung gestellt. Diese Videos sind bereits in der Vorbereitungsphase online abrufbar. In der Präsenzphase werden sie in Kleingruppen diskutiert. In der Transferphase zur Veranstaltung werden die Videos mit weiteren inhaltlich verwandten Angeboten verbunden, zum Beispiel mit Seminaren. Ein bestimmtes Medium, beispielsweise ein Podcast, kann auch eine Anregung sein, das personalisierte Lernportal, das heute in vielen Unternehmen zur Verfügung steht (siehe Kapitel #educast), aufzusuchen. Dort werden dann zum jeweiligen Lernbedarf der jeweiligen Mitarbeiter/innen passende Angebote vorgestellt.
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Tools zur Transferunterstützung sollten eine Brücke zwischen Lern- und Anwendungsfeld schlagen. Um dies zu erreichen, ist eine sorgfältige Planung zur Einführung der entsprechenden Werkzeuge notwendig. Tools, mit denen die Lernenden in der Transferphase arbeiten, sind daher bereits während der Bildungsmaßnahme vorzustellen und anzuwenden. Weiterhin ist es zur Transferförderung möglich, die Reflexion und Vernetzung der Lernenden zu unterstützen.
Evaluation des Bildungsprozesses
Die Evaluation von Bildungsprozessen ist vom Assessment im Sinne der Leistungskontrolle abzugrenzen (siehe Kapitel #assessment). Im vorliegenden Abschnitt steht die Beurteilung des Bildungsprozesses aus Sicht der Teilnehmenden sowie mit Bezug zu didaktischen Gütekriterien im Vordergrund. Dabei kann nach dem Zeitpunkt der Evaluation zwischen formativer und summativer Evaluation unterschieden werden (Kromrey, 2000, 118).
Formative Evaluation
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Handelt es sich um eine formative Evaluation, so wird diese begleitend zum Bildungsangebot vorgenommen und hat in der Regel auch Auswirkungen auf den weiteren Verlauf.
Der große Vorteil formativer Evaluationen liegt darin, dass erkannte Schwächen noch während der Durchführung einer Bildungsmaßnahme aufgenommen und möglicherweise korrigiert werden können (Morrison et al., 2004). Allerdings stellt diese maßnahmenbegleitende Art der Evaluation auch eine Herausforderung dar, weil die eingesetzten Evaluationsinstrumente flexibel anpassbar und schnell auszuwerten sein müssen. Entsprechend dieser Herausforderungen bietet sich der Einsatz von einfach zu nutzenden Evaluationstools an.
Zur formativen Evaluation kann bei einer Präsenzveranstaltung beispielsweise Microblogging wie Twitter eingesetzt werden. Die Teilnehmenden können, entweder direkt während des Seminars oder in den Pausen, über Twitter ihre aktuellen Eindrücke mitteilen. Die Trainer/innen haben die Möglichkeit, auf diese Rückmeldungen bereits während der Veranstaltung zu reagieren. Eine solche Art der formativen Evaluation stellt natürlich erhöhte Anforderungen an die Lehrpersonen, da diese nicht nur den eigentlichen Lernprozess, sondern auch die Evaluation im Blick haben müssen. Werden für eine Veranstaltung mehrere Trainer/innen eingesetzt, ist ein solches Szenario durchaus denkbar und kann zu einem Mehrwert für die Teilnehmenden führen.
Bereits während des Designs von Lernprozessen ist die Bedienbarkeit und Nützlichkeit der eingesetzten Werkzeuge zu erheben, um gegebenenfalls frühzeitige Anpassungen vornehmen zu können. Hierfür bieten sich einerseits Usability-Analysen an, andererseits aber auch Pilottests mit einer geringen Anzahl an Nutzerinnen und Nutzern.
Summative Evaluation
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Eine summative Evaluation wird am Ende einer Maßnahme durchgeführt. Damit verfolgt sie den Zweck, die Qualität eines abgeschlossenen Bildungsangebots zu beurteilen.
Die Wirkungen und der Nutzen eines Programms werden durch die Teilnehmer/innen evaluiert (Tergan, 2000, 25). Summative Evaluation ermöglicht es, dass die verantwortlichen eines Programms Antworten auf Fragen nach der Effektivität und der Effizienz der Bildungsmaßnahme sowie nach den Reaktionen bezüglich des Programms von Seiten der Lernenden, der Lehrenden und anderen beteiligten Personen erhalten (Morrison et al., 2004).
Zur summativen Evaluation einer Präsenzveranstaltung lässt sich in einem Unternehmen beispielsweise ein Forum in Kombination mit einem standardisierten Online-Fragebogen einsetzen. Hier kann, gegebenenfalls in anonymer Form, mitgeteilt werden, wie ein Bildungsangebot empfunden wurde. Um unterschiedliche Aspekte abzudecken, können im Evaluationsforum unterschiedliche Thementhreads vordefiniert werden. Es ist auch möglich, die Ergebnisse der Evaluation wiederum im Forum an die Teilnehmenden zurück zu spiegeln.
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Da Lerntechnologien ebenfalls Bestandteil der Lernumgebung sind, sind diese gleichermaßen einem Evaluationsprozess zu unterziehen. Beispielsweise können Statistiken, die automatisch durch das jeweilige System generiert werden, Aufschluss über die Häufigkeit und die Art der Nutzung der Technologie geben. Weiterhin können Fragen zur Nutzerfreundlichkeit der Technologie in einen allgemeinen Evaluations-Fragebogen integriert werden.
Zentrale Erkenntnisse
Im vorliegenden Kapitel wurden entlang des Bildungszyklus‘ verschiedene Möglichkeiten aufgezeigt, wie Planung und Organisation von Bildungsmaßnahmen durch digitale Technologien unterstützt werden können. Dabei wurden die Bildungsbedarfsanalyse, die Planung der eigentlichen pädagogischen Interaktionen, die Unterstützung des Lerntransfers sowie die Evaluation fokussiert.
- Bei der Planung und Organisation von Lernumgebungen sollten für die Verantwortlichen immer zunächst didaktisch-methodische Fragen im Vordergrund stehen.
- Ausgehend von den erhobenen Bildungsbedürfnissen sind Lernziele abzuleiten, entsprechende Methoden und Medien auszuwählen und ein sinnvolles Arrangement des Bildungsprozesses zu planen.
- Insbesondere auf die Nachbereitung von Präsenzveranstaltungen im Anwendungsfeld ist Wert zu legen.
- Die Evaluation rundet den Bildungsprozess schließlich ab.
In allen Schritten des Bildungszyklus‘ können digitale Technologien zum Einsatz kommen. Wesentlich ist, dass diese ausgehend von den (Lern-)Zielen der Bildungsmaßnahme eingeplant werden und nicht zum Selbstzweck werden.
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Als weitere Lektüre empfehlen wir: Brahm, T. & Seufert, S. (2009). Kompetenzentwicklung mit Web 2.0. Good Practices aus Unternehmen. In: scil Arbeitsbericht. St. Gallen: Universität St. Gallen, 5-5. URL: http://www.scil.unisg.ch/de/scil+Vortraege+Publikationen/Bestellformular [2013-08-12].
Literatur
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Brahm, T. (2009). Didaktisches Design von formeller und informeller Kompetenzentwicklung mit Web 2.0-Technologien: Synthese der Fallstudien. In: T. Brahm & S. Seufert (Hrsg.), Kompetenzentwicklung mit Web 2.0. Good Practices aus Unternehmen, St. Gallen: Universität St. Gallen, 89-106. URL: http://www.scil.unisg.ch/de/scil+Vortraege+Publikationen/Bestellformular [2013-08-12].
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Brahm, T. (2009). Unterstützung der informellen Kompetenzentwicklung der Mitarbeiter durch Web 2.0-Technologien bei Hewlett-Packard (unter Mitarbeit von Dr. Anke Hirning). In: T. Brahm & S. Seufert (Hrsg.), Kompetenzentwicklung mit Web 2.0. Good Practices aus Unternehmen, St. Gallen: Universität St. Gallen, 38-46. URL: http://www.scil.unisg.ch/de/scil+Vortraege+Publikationen/Bestellformular [2013-08-12].
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Burger, B. (2005). Lernen um anzuwenden: zur Förderung des Praxistransfers sozialkommunikativer Kompetenzen. Paderborn: Eusl-Verlagsgesellschaft.
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Domsch, M. (1993). Personal. In: M. Bitz (Hrsg.), Vahlens Kompendium der Betriebswirtschaftslehre, Band 1, München: Vahlen, 522–580.
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Erpenbeck, J. & Sauter, W. (2007). Kompetenzentwicklung im Netz. New Blended Learning mit Web 2.0. Köln: Luchterhand.
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Euler, D. & Hahn, A. (2007). Wirtschaftsdidaktik. Bern: Haupt.
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Euler, D.; Seufert, S. & Hasanbegovic, J. (2009). Lernen für die Praxis: Gestaltung transferorientierter Bildungsmassnahmen. Seminarunterlagen für das scil Fokusseminar 4/2009. St. Gallen: Universität St. Gallen.
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Götz, K. & Häfner, P. (1998). Didaktische Organisation von Lehr- und Lernprozessen. Ein Lehrbuch für Schule und Erwachsenenbildung. Weinheim: Deutscher Studienverlag.
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Kromrey, H. (2000). Empirische Sozialforschung. Opladen: Leske + Budrich.
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Morrison, G. R.; Ross, S. M. & Kemp, J. E. (2007). Designing effective instruction. Hoboken (NJ): Wiley.
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Seufert, S.; Brahm, T. & Hasanbegovic, J. (2007). Fallstudie IBM. In: S. Seufert (Hrsg.), SCIL Benchmarkstudie II: Ergebnisse der Fallstudien zu transferorientiertem Bildungsmanagement, St. Gallen: Swiss Centre for Innovations in Learning, Universität St. Gallen, 73-106.
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Straka, G. A. (2004). Informal learning: genealogy, concepts, antagonisms, questions. URL: http://unipnet.org/fileadmin/Download/publikationen/forschungsberichte/fb_15_04.pdf [2013-08-12].
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