Offene Lehr- und Forschungsressourcen

Open Access und Open Educational Resources

Für Forschende, Lehrende und Studierende hat das Internet weitreichende Auswirkungen auf die Recherche von Materialien und Texten, das Publikationsverhalten sowie auf die Nutzung und den Austausch von Lehr- und Lernressourcen. Vorhandene, tradierte Urheberrechtsregelungen werden durch neuartige Lizenzmodelle modifiziert oder ersetzt. Die Forderungen nach ‚Open Access‘ und ‚Open Educational Resources‘, die sich in zahlreichen Initiativen, Projekten und Aktivitäten niederschlagen, sind wichtig für die Gestaltung eines liberalen, offenen Zugangs zu Forschungs- und Bildungsmaterialien. In diesem Beitrag wird zunächst die Open-Access-Bewegung vorgestellt, deren Forderung nach freiem Zugang zu öffentlich geförderten Forschungsergebnissen inzwischen als forschungspolitisch etabliert betrachtet werden kann. Parallel zu dieser Bewegung, aber wohl durch sie beeinflusst, bilden sich in den letzten zehn Jahren Projekte und Initiativen, die frei verwendbare Bildungsressourcen fordern und unterstützen.

Einleitung

Neue Technologien, insbesondere das Internet, verändern die Bedingungen für Lehre und Forschung sowie den Zugang zu wissenschaftlichen Ressourcen und Lernmaterialien. Vor allem für Lehrende an Universitäten, aber auch für Studierende sind das Internet und die damit verbundenen Möglichkeiten der Verbreitung und des Zugriffs auf wissenschaftliche Veröffentlichungen und Lernmaterialien wesentlich: Während diese früher in der Regel nur gedruckt in Bibliotheken oder für die Universitäten und deren Mitgliederinnen und Mitglieder in einem eingeschränkten Intranet zur Verfügung standen, sind jetzt immer häufiger Fachpublikationen und Forschungsdaten sowie Bildungsressourcen frei im Internet zugänglich. In diesem Kapitel werden wir uns zum einen dem Publizieren mit freiem Zugang (engl. ‚open access‘) und zum anderen frei zugänglichen und nutzbaren Bildungsmaterialien (engl. ‚open educational resources‘) widmen.

Traditionelle wissenschaftliche Publikationen und der Einfluss der Digitalisierung

Damit Forschungsarbeiten diskutiert und zitiert werden können, müssen Wissenschaftler/innen diese veröffentlichen und bestmöglich verbreiten. Veröffentlichungsformen unterscheiden sich je nach Disziplin. So werden in den Geisteswissenschaften häufiger als in anderen Bereichen Sammelbände und Monografien genutzt, im Bauwesen und in der Architektur spielen zum Beispiel Tagungsbände eine zentrale Rolle. Über alle Wissenschaftsfelder hinweg sind jedoch Artikel in Fachzeitschriften die am häufigsten genutzte Veröffentlichungsform (Deutsche Forschungsgemeinschaft, 2005).

Der Grundsatz ‚publish or perish‘

Der Aufbau der modernen Wissenschaften, wie wir sie heute kennen, war von Beginn an mit der Gründung von wissenschaftlichen Fachgesellschaften und wissenschaftlichen Fachzeitschriften verbunden. Die beiden ältesten Zeitschriften, das ‚Journal des sçavans‘ und die ‚Philosophical Transactions of the Royal Society‘, starteten 1665 und erfüllten Funktionen, die bis heute für wissenschaftliche Zeitschriften zentral sind – die Sicherung von Priorität durch möglichst schnelle und breite Veröffentlichung von Forschungsergebnissen und die Sicherung von Qualität, letzteres insbesondere durch sogenannte ‚Peer-Review-Verfahren‘: Peers, also Kolleginnen und Kollegen, begutachten die zur Veröffentlichung eingereichte Beiträge (oft anonym, selten als sogenanntes Open-Peer-Review, siehe dazu exemplarisch die neu gegründeten Open-Access-Fachzeitschriften ‚Journal for Innovation and Quality in Learning‘ (http://innoqual.efquel.org/) und die ‚Interdisziplinäre Zeitschrift für Technologie und Lernen‘ (http://www.itel-journal.org/). Durch Peer Review soll gewährleistet werden, dass nur Artikel verbreitet werden, die wissenschaftlichen Standards genügen. Durch Zitationsanalysen veröffentlichter Artikel soll geprüft werden, wie häufig diese durch andere genutzt werden, welchen ‚Impact‘ (engl. für ‚Einfluss‘) sie haben. Da wissenschaftliche Veröffentlichungen für berufliche Karrierewege und universitäre Mittelvergaben von besonderer Bedeutung sind, ist der Druck insbesondere in den Naturwissenschaften sehr hoch, in sogenannten High-Impact-Zeitschriften zu veröffentlichen. Hier gilt der Grundsatz des ‚publish or perish‘, eine englische Redewendung, die in etwa als ‚veröffentliche oder gehe unter‘ ins Deutsche übertragen werden kann. Die Akzeptanz solcher Maße (vor allem deren Berechnungsgrundlage) wird vielfach kritisiert (siehe aktuell die San Francisco Declaration on Research Assessment, http://am.ascb.org/dora/); zudem muss von verschiedenen Arten von Impact im Sinne von Sichtbarkeit ausgegangen werden, der sich nicht allein an Zitationshäufigkeit bemisst (Mruck& Mey, 2002).

Der traditionelle Publikationsprozess

Der traditionelle Publikationsprozess in Printzeitschriften sieht vor, dass Wissenschaftler/innen Artikel schreiben und bei Zeitschriften, in denen sie sichtbar sein wollen, zur Veröffentlichung einreichen. Die Zeitschriftenredaktionen organisieren dann die Begutachtung, indem sie Gutachter/innen um eine Bewertung des eingereichten Artikels bitten, also um eine Einschätzung darüber, ob ein Artikel zur Veröffentlichung angenommen, durch die Autorinnen und Autoren überarbeitet oder abgelehnt werden sollte. Wenn ein solcher Artikel – teilweise nach mehreren Überarbeitungsrunden – für die Veröffentlichung akzeptiert worden ist, organisiert die Redaktion in der Regel das Lektorat und Korrektorat, also die formale Prüfung und Korrektur des Artikels, und gibt den fertigen Artikel an einen kommerziellen Verlag weiter, der für Druck und Verbreitung der Zeitschrift, in dem der Artikel erscheinen soll, zuständig ist. Mit der Veröffentlichung geben die Autorinnen und Autoren zumeist die Nutzungsrechte an ihrer Arbeit an den Verlag weiter.

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Bibliotheken können die Zeitschrift dann für die Nutzung durch ihre Mitglieder (zum Beispiel Angehörige einer Universität) wiedererwerben. In diesem Zusammenhang wird auch von einer Mehrfachsubventionierung wissenschaftlicher Veröffentlichungen gesprochen, weil in der Regel der gesamte Prozess von der Forschung über Erstellung, Bearbeitung und Begutachtung eines Textes bis hin zum Rückkauf durch öffentliche Mittel finanziert wird (Mruck et al., 2004).

Einfluss der digitalen Technologien auf das Publikationsverhalten

Mit dem Internet und der Verbreitung digitaler Technologien begannen Wissenschaftler/innen, sich Artikel per E-Mail zuzuschicken. Schnell folgten, als dies technisch machbar war, die ersten Preprint-Server, über die sie ihre Papiere zugänglich machten, noch bevor sie in Zeitschriften veröffentlicht wurden. Ein solches Verfügbarmachen sollte helfen, den Text unter Kolleginnen und Kollegen – öffentlich – zu diskutieren (und so die Güte beziehungsweise Qualität des Textes zu erhöhen, eine Art ‚Vorläufer‘ des Open-Peer-Review) und zu einer Beschleunigung von Forschung beizutragen. Zudem konnten Prioritätsansprüche, zum Beispiel im Falle von Entdeckungen, frühzeitig kenntlich gemacht werden. Ebenfalls in den Naturwissenschaften starteten die ersten elektronischen Zeitschriften, diese gehören mittlerweile aber zum Angebot fast aller Disziplinen (siehe das Directory of Open Access Journals, http://doaj.org). In elektronischen Zeitschriften können neben Text und Bild zusätzliche Dateiformate (zum Beispiel Audio- und Videodateien oder Primärdaten; letztere gerade auch mit Blick auf bessere Nachvollziehbarkeit und Transparenz des Forschungsprozesses) angeboten werden. Einschränkungen wie die Anzahl der Druckseiten entfallen.

Mit der Entwicklung des Internets und von frei nutzbarer Software (z.B. Open Journal System, OJS, http://pkp.sfu.ca/?q=ojs) eröffnete sich für Wissenschaftler/innen zudem die Option, nicht nur als Autor/in, Redaktionsmitglied, Gutachter/in oder Lektor/in ihre in der Regel durch die öffentliche Hand finanzierte Zeit in die Produktion von Artikeln zu investieren, sondern die Zeitschriften selbst zu betreiben. Zum Beispiel über Mailinglisten können Kollegen und Kolleginnen auf ihre Zeitschrift, neue Artikel usw. aufmerksam gemacht werden. Dies steht im Zeichen der Demokratisierung von Wissenschaft und für die zurückgewonnene Autonomie der Wissenschaftler/innen (‚science back to scientists‘).

Die Open-Access-Bewegung

Zeitgleich mit der breiteren Nutzung des Internet und seiner Medien begann die sogenannte ‚Zeitschriftenkrise‘ um sich zu greifen: Wissenschaftliche Bibliotheken waren angesichts sinkender Budgets bei gleichzeitig teilweise horrend steigenden Zeitschriftenpreisen immer weniger in der Lage, die Arbeiten ihrer Wissenschaftler/innen zurückzukaufen (siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Zeitschriftenkrise für eine kurze Zusammenfassung). Vor genau diesem Hintergrund formierte sich eine international immer stärker werdende Open-Access-Bewegung, in deren Kern die Forderung steht, dass die Ergebnisse öffentlich finanzierter Forschung auch öffentlich zugänglich sein müssen (Mruck et al., 2004). Eine frühe und bis heute zentral wichtige Definition von Open Access lautet:

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„Open Access meint, dass [...] Literatur kostenfrei und öffentlich im Internet zugänglich sein sollte, so dass Interessierte die Volltexte lesen, herunterladen, kopieren, verteilen, drucken, in ihnen suchen, auf sie verweisen und sie auch sonst auf jede denkbare legale Weise benutzen können, ohne finanzielle, gesetzliche oder technische Barrieren jenseits von denen, die mit dem Internet-Zugang selbst verbunden sind.“ (Open Society Foundation, 2010)

Einige ausgewählte Meilensteine der Open-Access-Bewegung sind:

Um die eigene Arbeit frei zugänglich zu machen, lassen sich zwei Hauptstrategien des Open Access unterscheiden: Bei dem sogenannten goldenen Weg veröffentlichen Wissenschaftler/innen direkt in Open-Access-Zeitschriften, bei dem sogenannten grünen Weg werden digitale Kopien von Artikeln, die kostenpflichtig in Print- beziehungsweise Closed-Access-Zeitschriften veröffentlicht werden, parallel oder nachträglich auf Dokumentenservern zugänglich gemacht, die zum Beispiel von Universitäten oder für Fächer beziehungsweise Fachgruppen betrieben werden (siehe hierzu das ‚Directory of Open Access Repositories‘, http://www.opendoar.org).

In der Praxis: Die Zeitschrift ‚Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research‘

Qualitative Forschungsmethoden kommen in unterschiedlichsten Disziplinen zum Einsatz. Als 1999 die Idee entstand, ein Journal zu gründen, das helfen sollte, qualitative Forschung transdisziplinär und international sichtbar zu machen und Wissenschaftler/innen aus aller Welt auf diese Weise zu vernetzen, winkten die Verlage ab – eine elektronische Zeitschrift? Die Wissenschaftler/innen nahmen dies daraufhin selbst in die Hand. Heute ist die Zeitschrift ‚Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research‘ (FQS) mit über 18.000 registrierten Leserinnen und Lesern die weltweit größte Ressource für qualitative Forschung.

Artikel werden in Deutsch, Englisch oder Spanisch begutachtet und muttersprachlich lektoriert, Redaktion und Beirat kommen aus 10 Disziplinen und 13 Ländern, alle circa 1.600 bisher veröffentlichten Artikel sind frei online zugänglich (Mruck& Mey, 2008). Eine Analyse zu Zeitschriftenpublikationen zu qualitativer Forschung in der Psychologie zeigt, dass FQS-Veröffentlichungen nicht nur maximal sichtbar sind, sondern sich auch durch eine überdurchschnittlich hohe Qualität auszeichnen (Ilg &Boothe, 2010). Eine weitere Vergleichsstudie begutachteter Zeitschriften zu qualitativer Forschung zeigt, dass FQS Frauen im Vergleich zu herkömmlichen gedruckten Closed-Access-Journalen wesentlich höhere Publikationschancen bietet (Tüür-Fröhlich, 2011). Eine Evaluation unter Lesenden und Autor/innen ergab, dass die, die Erfahrungen mit Open-Access-Publizieren haben, nicht nur Wert auf die erhöhte (weltweite) Sichtbarkeit ihrer Forschungsarbeit legten, sondern auch unmittelbare Resonanz (in Form von Kooperationsangeboten, Einladungen zu weiteren Beiträgen oder zu Konferenzen etc.) erfuhren (Koch et al., 2009). URL: http://www.qualitative-research.net/index.php/fqs

Open Access ermöglicht aufgrund des schnellen und freien Zugangs und der daraus folgenden guten Auffindbarkeit wissenschaftlicher Arbeiten über Suchmaschinen und Nachweisdienste die Verbesserung der Informationsversorgung und das Sichtbarmachen (neuer) Themen (besonders wichtig bei Randthemen; Zawacki-Richter et al., 2010). Insgesamt trägt Open Access wesentlich zur Förderung internationaler und interdisziplinärer Zusammenarbeit und von Forschungseffizienz durch die rasche Diskussion von Forschungsergebnissen bei.

Open Access hat sich zunehmend weltweit organisiert: Seit 2009 gibt es die ‚Open Access Week‘ (http://www.openaccessweek.org/), hervorgegangen aus dem ‚National Day of Action for Open Access‘ in den USA, in deren Rahmen weltweit Veranstaltungen und Diskussionen stattfinden. Seit 2007 werden im deutschsprachigen Raum jährlich die ‚Open-Access-Tage‘ (http://open-access.net/de/aktivitaeten/open_access_tage/) ausgerichtet. Die Plattform open-access.net (http://open-access.net/) bündelt Informationen.

Mittlerweile beschränkt sich die Forderung nach Open Access nicht mehr nur auf wissenschaftliche Fachzeitschriften, sondern es geht zunehmend auch um Open Access zu Monografien, zu Daten und prinzipieller zu kulturellem Erbe (Deutsche UNESCO-Kommission, 2007). Mit einigem Recht kann für einige Länder wie Großbritannien, Holland, aber auch die Bundesrepublik Deutschland gesagt werden, dass Open Access wissenschaftspolitisch mehr und mehr zum herrschenden Paradigma geworden ist: die Hochschulrektorenkonferenz, große Forschungseinrichtungen sowie Fördereinrichtungen wie die Volkswagenstiftung und die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützen Open Access. Letztere treiben die Verbreitung von Informationen über Open Access sowie von Open-Access-Publikationsmodellen aktiv voran, indem sie die freie Verfügbarkeit in ihre Förderrichtlinien aufnehmen oder sich um ein wissenschaftsfreundlicheres Urheberrecht bemühen.

Diese Bemühungen haben zwischenzeitlich auch positive Resonanz bei allen Bundestagsfraktionen gefunden. Und auch zum Beispiel in Österreich und der Schweiz haben die nationalen Fördereinrichtungen Open Access in ihre Richtlinien aufgenommen (siehe http://www.dfg.de/dfg_magazin/forschungspolitik_standpunkte_perspektiven/open_access/ für die DFG, http://www.fwf.ac.at/de/public_relations/oai/ für den österreichischen FWF und http://www.snf.ch/D/Aktuell/Dossiers/Seiten/open-access.aspx für den schweizerischen SNF).

Bildungsressourcen und der Einfluss von Internet und Digitalisierung

Lehrbücher und gedruckte oder auf andere Weise erstellte schriftliche Lernmaterialien und Lehrunterlagen sind tradierte Bildungsressourcen des Lernens und Lehrens. Lehrmaterialien unterliegen einem starken Wandel, sowohl inhaltlich als auch in ihrer Erstellung, in ihrer Form und ihrem Format (vgl. Ebner & Schön, 2012). Das Internet, insbesondere die Möglichkeiten des Mitmachwebs, führen dazu, dass immer mehr Bildungsressourcen, auch von Lernenden erstellt, im Internet kostenfrei zur Verfügung stehen. Gleichzeitig machen es neue technische Hilfsmittel in den Klassenzimmern, beispielsweise Lehrerlaptops und Beamer, notwendig, dass Lehrmaterialien digitalisiert werden oder digitale Varianten genutzt werden können.

Die neuen Möglichkeiten führen jedoch aus urheberrechtlicher Perspektive zu neuen Herausforderungen und Regelungen: So war Ende 2012 unklar, in welcher Weise und in welchem Umfang die Verwendung digitaler Kopien von Schulbüchern in deutschen Klassenzimmern zukünftig erlaubt sein soll. So eine ‚digitale Kopie‘ ist beispielsweise ein Foto eines Fotos aus einem Lehrbuch, das per Beamer gezeigt wird. Für ältere Schulbücher (vor 2004) ist eine Verwendung digitaler Kopien im Unterricht, auch auszugsweise, weiterhin verboten, für jüngere (ab 2005) auszugsweise erlaubt. Dieses Beispiel ist nur eines für viele unterschiedliche Regelungen, die es im deutschsprachigen Europa beziehungsweise den unterschiedlichen Bildungssektoren gibt und welche häufig unbekannt sind. Gemeinsam ist ihnen, dass es in aller Regel nicht gestattet und ein Verstoß gegen das Urheberrecht ist, Materialien aus dem Web, beispielsweise hilfreiche Bilder oder Arbeitsblätter, für den Unterricht zu nutzen.

Open Educational Resources: Frei verwendbare Lern- und Lehrmaterialien

Auch wenn viele Materialien kostenfrei verfügbar sind, bedeutet es also nicht, dass sie ohne Weiteres auch für den Unterricht verwendet werden können. Sogenannte ‚offene‘ Bildungsressourcen, die eben auch ausdrücklich zur Nutzung freigeben wurden, werden auch in der deutschsprachigen Diskussion häufig als ‚Open Educational Resources‘ oder kurz ‚OER‘ bezeichnet.

‚Offen‘ heißt vor allem ‚offen lizenziert‘

Sogenannte ‚offene‘ Web-Materialien zeichnen sich nicht allein dadurch aus, dass sie frei im Web zu finden sind, sondern dass ihre Verwendung für das Lernen, den Unterricht, die Lehre und Seminare dezidiert durch die Urheber/innen erlaubt ist. Dazu ergänzen einige Urheber/innen ihre Web-Materialien um entsprechende Formulierungen (‚für den Unterricht nutzbar‘). Eindeutig geregelt ist die Nutzung der Materialien jedoch nur dann, wenn Lizenzen verwendet werden. Es liegen unterschiedliche Lizenzmodelle vor, die es ermöglichen, eindeutig zu regeln, unter welchen Voraussetzungen Bildungsressourcen oder auch andere Materialien weiterverwendet werden dürfen. Im deutschsprachigen Raum ist der Einsatz der ‚Creative-Commons-Lizenzen‘ verbreitet. Dabei stehen Lizenzformulierungen für viele europäische Länder zur Verfügung, die von Juristinnen und Juristen geprüft wurden, aber auch in einfacher, klarer Sprache Rechte von Autorinnen und Autoren sowie Benutzerinnen und Benutzern beschreiben. Urheber/innen können mit diesen Creative-Commons-Lizenzen beispielsweise festlegen, ob (a) der Name des Urhebers bzw. der Urheberin genannt werden muss, ob (b) das Werk modifiziert werden darf oder ob (c) alle Werke, die auf den Inhalten aufbauen, unter der gleichen Lizenz veröffentlich werden müssen (als ‚Copyleft‘ bezeichnet). In einigen Sammlungen von OER werden entsprechende Lizenzierungen als Standard vorgegeben, das heißt Nutzer/innen müssen ihre Materialien unter einer solchen liberalen Lizenz veröffentlichen.

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Dieses Kapitel ist wie alle Materialien von L3T unter der Lizenz CC BY-SA zur Verfügung gestellt, das heißt, alles kann, gerne auch modifiziert, verwendet und wiederveröffentlicht werden, wobei neue Materialien, beispielsweise Lehrunterlagen, wieder unter der gleichen Lizenz veröffentlicht werden müssen (SA steht für ‚sharealike‘) und die Urheber/innen genannt werden müssen.

OER-Angebote

Die Angebote von offenen Bildungsressourcen sind zahlreich und vielfältig, und es ist schwierig und herausfordernd, sich einen Überblick über sie zu verschaffen. Für deutschsprachige Lernmaterialien ist beispielsweise für den Schulsektor das ZUM-Wiki (wiki.zum.de) ein guter Start, bei dem dank der Wiki-Technik auch gleich mitgearbeitet werden kann. Der Service Edutags.de und das OER-Wiki (oer.tugraz.at) stellen Versuche dar, einen Einstieg und Überblick über deutschsprachige Materialien zu verschaffen, zahlreiche fachbezogene Angebote versuchen dies für ihre jeweilige Disziplin. Suchmaschinen und Suchfunktionen bei Portalen für Videos oder Fotos erlauben häufig eine eingeschränkte Suche nach Materialien, die mit entsprechen Lizenzen (in der Regel Creative Commons) versehen wurden. Ein guter Start für Recherchen von OER stellt das Angebot Wikieducator.org dar, bei ihm dreht sich vieles um OER selbst, beispielsweise gibt es dort auch Tutorials zu OER.

Meilensteine der OER-Bewegung

Die OER-Bewegung formierte sich Anfang des 21. Jahrhunderts unabhängig von der Open-Access-Bewegung und Open-Source-Entwicklung, wurde aber wohl von deren Erfolgen beeinflusst. Zunächst stand dabei vor allem die Verfügbarmachung von Materialien im Internet im Vordergrund, so entstand 1996 die Zentrale für Unterrichtsmedien im Internet (ZUM.de). Auch gab es zunächst mehrere Bezeichnungen für frei verwendbare Bildungsmaterialien, beispielsweise auch ‚open educationalcontent‘ oder auch ‚freeeducationalcontent‘. Während wir OER in diesem Beitrag einführend als Lösung von urheberrechtlichen Herausforderungen dargestellt haben, dreht sich das Hauptmotiv dabei vor allem um die Erreichbarmachung und den freien Zugang zu Bildung. Ausgewählte Meilensteine der Open-Educational-Resources-Bewegung sind:

Als ausgewählte Höhepunkte aus dem deutschsprachigen Raum können unter anderem die Durchführung der ersten OER-Konferenz im deutschsprachigen Europa (2007 in Salzburg), die Gründung der Arbeitsgruppe OER bei Eduhub in der Schweiz und der erste deutschsprachige offene Onlinekurs zu OER – mit mehr als 1.000 Lernenden – betrachtet werden (COER13.de). Ende Juli 2013 wurde das erste komplette deutschsprachige OER-Schulbuch (im Fach Biologie) veröffentlicht. Bildungspolitisch zu ergänzen ist, dass es in einigen Bildungsministerien Anhörungen zu OER gab und OER erstmals in Parteiprogrammen auftauchen (Stand: Mitte 2013).

Argumente für offene Bildungsressourcen

Argumente, die für die Einführung von OER sprechen, sind (Geser, 2007): OER ermöglichen potenziell einfacheren und kostengünstigeren Zugang zu Ressourcen, die einigen Lernenden sonst nicht zugänglich wären. Auch werden Steuergelder rentabler eingesetzt, da Ressourcen wiederverwendet werden können. Auch für Lehrende werden Möglichkeiten der effektiveren Erstellung von Materialien beziehungsweise Gestaltung des Unterrichts als Vorteile genannt. Oft steht dabei auch die Kooperation und Kollaboration von Lehrenden und Lernenden im Vordergrund, beispielsweise bei der Open University im Vereinigten Königreich (Lane, 2008). Hochschulen wie das Massachusetts Institute of Technology, die OER-Strategien einführen, führen darüber beispielsweise auch offen Argumente wie die Möglichkeit positiver Public Relations oder Neukundengewinnung an (Schaffert, 2010).

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Es gibt mehrere englischsprachige, aber auch deutschsprachige Hinweise, wie man OER findet, erstellt oder aus existierenden Materialien eigene Remixes generiert. Unter folgendem Link finden Sie Informationen, Anleitungen, Ressourcen sowie einsetzbare Module: http://l3t.oncampus.de/

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Für Fortgeschrittene ist folgende Aufgabe: Bitte stellen Sie für Lernende und Lehrende Ihres Fachgebiets hilfreiche Hinweise zur Recherche nach OER, beispielsweise Sammlungen, und zum Erstellen und Veröffentlichen zusammen. Dazu können Sie natürlich auf die zur Verfügung gestellten Materialien zurückgreifen, achten Sie aber bitte auf die Lizenzbedingungen.Bitte teilen Sie Ihre Ergebnisse bei diigo unter #aufgabe

Offenheit von Lehr- und Forschungsressourcen: nur ein Trend oder ein neues Paradigma?

Dieser Beitrag befasst sich mit Open Access und mit Open Educational Resources, weil frei zugängliche Quellen, Veröffentlichungen und Daten nicht nur neue Impulse und Möglichkeiten der Zusammenarbeit für die Forschung bedeuten, sondern auch neue Lehr- und Lernaktivitäten ermöglichen. Dabei geht die OER-Bewegung – was die Wiederverwendung und Modifikation von Materialien angeht –noch über die auf stabile und zitationsfähige Dokumentversionen angewiesene Position des freien Zugangs zu Veröffentlichungen hinaus.

Der freie Zugang zu Veröffentlichungen hat sich in der Wissenschaft zunehmend etabliert und ist wissenschaftspolitisch international zum leitenden Paradigma geworden. Vermehrt werden in diesem Zusammenhang auch Fragen der freien Verfügbarmachung und Wiederverwendung von Forschungsdaten und Möglichkeiten offener Begutachtungsverfahren diskutiert. Für OER hat über die bloße Bereitstellung und Verfügbarkeit von Materialien hinaus die Forderung nach ‚offenen Lern- und Lehrmethoden‘ (siehe. Kapitel #offeneslernen) eine zentrale Bedeutung gewonnen, bei der die Lernsteuerung und/oder die Zielsetzung des Lernens in die Hand der Lernenden gelegt werden soll. Hier sind die seit 2012 initiierten ‚offenen Online-Kurse‘ ein Hinweis dafür, dass ‚Offenheit‘ beginnt, Teil der Alltagspraxis von Lehrenden und Lernenden zu werden: Zwar bezieht sich das Attribut ‚offen‘ hier im Regelfall nur auf einen Zugang ohne Beschränkungen, das heißt, die Kurse sind kostenfrei und ohne Voraussetzungen (wie etwa die Hochschulreife), aber zumeist nicht als OER verfügbar. „Offene Bildungsinitiativen“ an den Universitäten versuchen jedoch grundsätzlicher, in studentischen Projekten Beteiligungs- und Innovationsprozesse zu initiieren, indem Studierende zu „aktiven Gestaltern ihres Lernraums werden“ (Dürnberger, Hofhues & Sporer, 2011, 7).

Über den freien Zugang zu Materialien und damit verbunden eine bessere Transparenz und Anschlussfähigkeit hinaus eröffnet das Internet mit seinen Medien insoweit zunehmend Beteiligungs- und Gestaltungsmöglichkeiten (Waldrop, 2008) und eine ganze Reihe an „‘Öffnungen‘ und Erweiterungen des tradierten Lernens, Lehrens und Forschens, die prinzipiell einer Demokratisierung von Wissenschaftzugute kommen.

Abb. 1: Offenheit scheint an vielen Stellen auf Interesse zu stoßen
Abb. 1: Offenheit scheint an vielen Stellen auf Interesse zu stoßen

Literatur