Einführung

Das Themenfeld „Lernen und Lehren mit Technologien“

Dieser Beitrag stellt einen ersten Einstieg in das Themengebiet des Lernens und Lehrens mit Technologien dar. Was wird eigentlich darunter verstanden? Als zentrale Begriffe werden das technologiegestützte Lernen und Lehren (engl. ‚technology-enhanced learning‘), E-Learning sowie das Lernen mit neuen Medien erklärt. Auch wird in die pädagogischen Grundbegriffe aus dem Bereich des Lernens und Lehrens sowie in Lerntechnologien eingeführt. Weil das Themen- und Forschungsfeld des technologiegestützten Lernens und Lehrens interdisziplinär ist, werden die wichtigsten Zugänge vorgestellt. Die zunehmende Zahl an Lehrstühlen, Forschungseinrichtungen und Studiengängen werden als Indizien für eine Konsolidierung des Themenfelds als Forschungsgebiet interpretiert. Die gebotene Kürze verhindert eine ausführliche Diskussion, insbesondere der Grundbegriffe. Deshalb möchten wir darauf hinweisen, dass wir hier nur ausgewählte Zugänge und Meinungen präsentieren können.

Einleitung: Lernen und Lehren mit Technologien

Es gibt einige deutschsprachige Sammelwerke und Handbücher, die sich mit technologiegestütztem Lernen und Lehren beschäftigen: Das sind teils Einführungen zum Online-Lernen (Issing & Klimsa, 2008), Handbücher zum E-Learning (Hohenstein & Wilbers, 2002 mit laufenden Aktualisierungen; Kilian et al., 2011), aber auch Bücher mit starkem Praxisbezug, wie zum Beispiel „Innovative Lernsysteme“ (Kuhlmann & Sauter, 2008). Für Fachfremde nicht unmittelbar als Veröffentlichung in diesem Bereich erkennbar sind Bücher mit Titeln wie zum Beispiel das „CSCL-Kompendium“ (Haake et al., 2004) bzw. mittlerweile „CSCL-Kompendium 2.0“ (Haake et al., 2012). Allen diesen Werken gemeinsam ist, dass sie unterschiedliche Aspekte des Lernens und Lehrens mit Technologien behandeln.

Dieses Lehrbuch stellt das Unterfangen dar, das Themenfeld als Lerntexte für Studierende aufzubereiten. Wir haben dazu den Titel „Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien“ gewählt.

Nun fällt die Entscheidung für den Titel eines solchen Werkes nicht ad hoc. Genau genommen geht es weniger um sogenannte „Technologien“, worunter die „Wissenschaft zur Technik“ verstanden wird, sondern um Technik, also technische Geräte, vor allem um elektronische (und heute primär auch digitale) Geräte und Hilfsmittel. Wir hatten auch in Erwägung gezogen, im Lehrbuchtitel von „Technik“ zu sprechen. Im Themenfeld hat sich jedoch im deutschsprachigen Raum die Bezeichnung „Technologien“ durchgesetzt: Die englische Sprache dominiert hier die wissenschaftliche Kommunikation und kennt keine Unterscheidung zwischen „Technik“ und „Technologie“. In der internationalen, englischsprachigen Diskussion ist von „technologies“ die Rede. Auch im Deutschen spricht man heute selten vom – eigentlich korrekten – Lernen und Lehren mit Technik, sondern vom Lernen und Lehren mit Technologien.

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Bevor Sie weiterlesen, haben wir eine Bitte an Sie: Bitte nehmen Sie sich kurz Zeit und formulieren Sie schriftlich, an welche Technologien Sie beim Lernen und Lehren mit Technologien denken.

Die Liste der Technologien, die beim Lernen und Lehren eingesetzt werden, ist lang und entwickelt sich ständig weiter. Es ist nicht trivial zu definieren, welche Technologien Lerntechnologien sind und welche nicht (Dror, 2008). Unter Lerntechnologien werden oft primär digitale Geräte und Anwendungen verstanden, welche zur Unterstützung des Lernens und Lehrens eingesetzt werden (Chan et al., 2006). Dazu zählen beispielsweise:

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Lernen und Lehren mit Technologien umfasst alle Lern- und Lehrprozesse sowie -handlungen, bei denen technische, vor allem elektronische (zumeist auch digitale) Geräte und Anwendungen verwendet werden. Ein besonderes, aber nicht ausschließliches Augenmerk liegt dabei auf Geräten und Anwendungen und den Informations- und Kommunikationstechnologien.

Grundbegriffe im Themenfeld

Was bedeuten Begriffe wie „technologiegestütztes Lernen“, „E-Learning“ oder „Lernen mit neuen Medien“? Erwartungsgemäß werden die zahlreichen Begriffe im Themenfeld variantenreich eingesetzt, dennoch entwickelte sich hier in den letzten zwanzig Jahren ein gewisser Konsens in der Verwendung der Begriffe und darüber, welche Technologien dabei im Einsatz sind.

„Technologiegestütztes Lernen“ bzw. „Technology-Enhanced Learning“

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Der Begriff des „Technology-Enhanced Learning“ beziehungsweise des „technologiegestützten Lernens“ (oder „technologisch gestützten Lernens“) ist der weitest gespannte Begriff, welcher jene Technologien umfasst, mit deren Hilfe Aktivitäten des Lernens unterstützt werden. Immer, wenn in einer Lern- oder Lehrsituation Technologien zum Einsatz kommen, kann vom technologiegestützten oder technologisch gestützten Lernen gesprochen werden (Dror, 2008). Dies ist beispielsweise also auch dann der Fall, wenn im Unterricht ein Film gezeigt wird oder ein Schulkind eine Klassenkameradin bzw. einen Klassenkameraden anruft, um Unterstützung bei der Hausaufgabe zu erhalten.

Der Begriff „E-Learning“

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Der Begriff des E-Learning wird häufig dann verwendet, wenn Computer in Netzwerken (insbesondere des Internets) zum Einsatz kommen und diese Technologien die technische Basis für die Lern- und Lehrhandlungen bilden.

Der Begriff „E-Learning“ ist im Englischen wie im Deutschen geläufig. Das „E“ steht dabei, wie auch bei der „E-Mail“, als Abkürzung des Wortes „electronic“, also „elektronisch“. Wenn Forscher/innen und Praktiker/innen aus dem Bereich des technologiegestützten Lernens von ihrem Arbeitsfeld berichten, fällt häufig das Schlagwort „E-Learning“. Darunter wird jedoch nicht unbedingt Einheitliches verstanden.

Das erste Mal fiel der Begriff „E-Learning“ vermutlich mit der Einführung von ersten Computeranwendungen, die Lernende unterstützten, beispielsweise Programme zum trainieren des Wortschatzes. Diese ersten Computerlernprogramme (engl. „computer based training“, CBT) erlaubten keine Interaktion mit anderen Lernenden oder Lehrenden. Mit der Kommerzialisierung des aus dem Computernetzwerk des US-Verteidigungsministeriums (ARPANET, 1969) entstandenen Internets (1990) und der Einführung des World Wide Webs (1989) wurde nicht nur ein weltweiter Zugang zu solchen Angeboten, sondern auch die Interaktion und der Austausch mit anderen Nutzerinnen und Nutzern erst ermöglicht und gefördert: Während zunächst Selbstlernmaterialien im Vordergrund standen, entwickelten sich schnell interaktive Formate, wie beispielsweise virtuelle Seminare, also Lehrveranstaltungen, die im Wesentlichen auf textbasierter Kommunikation der Teilnehmerinnen und Teilnehmer beruhten.

So wird der Begriff E-Learning von einigen für das weite Feld von elektronischen Anwendungen, sei es das Telefon, der Videoprojektor oder Internet, verwendet; er deckt damit weitestgehend dasselbe Feld wie der obige Begriff des technologiegestützten Lernens ab (Kerres, 2001).

Häufiger wird der Begriff „E-Learning“ aber enger verwendet, nämlich für Lernsituationen, bei denen mit dem Computer und dem Internet gelernt wird. Wird hierbei von „E-Learning“ gesprochen, beschränkt sich das Verständnis häufig auf Lern- und Lehrsituationen des Fernunterrichts und des verteilten Lernens im Internet oder mit anderen vernetzten Geräten wie den Mobiltelefonen.

Lernen mit neuen Medien

Schließlich möchten wir in unserem Zusammenhang noch auf einen dritten Begriff eingehen; auf das Lernen und Lehren mit „neuen Medien“. „Medium“, aus dem Lateinischen abgeleitet, bedeutet „in der Mitte“ oder „Mittler“. Wenn also die Medienpädagogik oder die Medieninformatik über Medien spricht, dann sind Kanäle oder Systeme gemeint, über die Daten oder Informationen (sinnbezogene zusammenhängende Daten) gespeichert, übertragen oder vermittelt werden. Beispiele für Medien sind Massenmedien wie das Fernsehen oder das Radio sowie die traditionellen Printmedien wie Zeitungen und Bücher. Diese Medien sind das traditionelle Arbeitsgebiet der Medienpädagogik (siehe Kapitel #medienpaedagogik). Wenn von „neuen“ Medien die Rede ist, wird derzeit in der Regel auf das Internet und Webtechnologien Bezug genommen. Mit den Medienwissenschaften gibt es einen eigenen Zugang mit zahlreichen unterschiedlichen theoretischen Positionen, wie diese neuen Medien Gesellschaft gestalten und wie die Gesellschaft Medien gestaltet (siehe Kapitel #medientheorie).

Für die Medieninformatik ist die Sicht auf Medien übrigens nicht auf Massenmedien eingeschränkt (Malaka et al., 2009): Aus deren Sicht sind zum Beispiel Speichermedien wie die Festplatte des PC oder der USB-Stick ebenfalls als Medien anzuführen.

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Deckt sich Ihr, bei der obigen Frage formuliertes, Verständnis vom Lernen und Lehren mit Technologien mit einem der drei Begriffe und deren Bezugstechnologien? Worin gibt es Übereinstimmungen, wo weicht Ihre Definition ab?

Vergleich der Begriffe

Wir haben versucht, die jeweiligen Technologien, die bei Verwendung der drei vorgestellten Begriffe „mitgedacht“ werden, in Abbildung 1 zu visualisieren. Das Verständnis der Begriffe ist jedoch nicht einheitlich.

Zusätzlich gibt es eine Reihe enger gefasster, also auf einige Technologien beschränkte Begriffe des technologiegestützten Lernens, wie beispielsweise das mobile Lernen mit Mobiltelefonen und anderen portablen Geräten (engl. „mobile learning“;m-Learning; siehe Kapitel #mobil) oder auch das Online-Lernen für das internet- bzw. intranetgestützte Fernlernen (siehe Kapitel #fernunterricht).

Auch gibt es Begriffe technologiegestützten Lernens, die nicht auf die Nutzung ausgewählter Technologien hinweisen. Vielfach wird im Bereich des technologiegestützten Lernens auf bestimmte Methoden abgezielt. So steht CSCL für das computergestützte kooperative Lernen (engl. „computer supported collaborative learning“). Damit haben wir auch aufgeklärt, worum es sich beim einführend erwähnten „CSCL-Kompendium“ handelt. Oder hatten Sie das gewusst?

Abb. 1: Begrifflichkeiten und von welchen Technologien dann (meistens) gesprochen wird
Abb. 1: Begrifflichkeiten und von welchen Technologien dann (meistens) gesprochen wird

Lernen und Lehren

Wir haben es bisher gewissermaßen vorausgesetzt, aber was ist das eigentlich, das „Lernen“ und das „Lehren“? Was wird darunter aus wissenschaftlicher Perspektive verstanden?

Lernen: umfassend und lebenslang

Erklärungen und Theorien zum Lernen werden vor allem in der Psychologie entwickelt und überprüft. Lernen wird dabei als eine Veränderung im Verhalten beschrieben. Aus Sicht der Psychologie ist das Lernen ein Prozess, der zu relativ stabilen Veränderungen im Verhalten oder im Verhaltenspotenzial führt und auf Erfahrung aufbaut, aber beispielsweise nicht auf Reifevorgänge oder Ermüdung zurückzuführen ist (Zimbardo & Gerrig, 1996, 206). Was gelernt wurde, ob es eine Verbesserung oder Verschlechterung des Verhaltens gibt, spielt dabei nach diesem Verständnis keine Rolle (Schaub & Zenke, 2004, 352): Veränderung kann dabei das Erlernen aber auch Verlernen beziehungsweise die Anpassung oder Fehlanpassung bedeuten. Menschen „lernen“ in diesem Sinne zum Beispiel durch Werbung möglicherweise ein anderes Kaufverhalten.

Beim technologiegestützten Lernen geht es jedoch in aller Regel nicht um „irgendein“ Lernen oder irgendeine Verhaltensänderung, sondern um konkrete Verbesserungen des Wissens, des Verhaltens und der Kompetenzen. Lernen soll hier dazu führen, sich bestmöglich zu entwickeln (Faulstich, 2005, 14). Normative Überlegungen spielen auch beim technologiegestützten Lernen eine wichtige Rolle: Was sollen die Lernenden, also Schülerinnen und Schüler, Studierende oder Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, lernen? In Bildungsprogrammen und Lehrplänen werden so konkrete Erziehungs- und Bildungsziele oder auch angestrebte „Schlüsselqualifikationen“ und Kompetenzen genannt (Tippelt & Schmidt, 2005).

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Auch beim technologiegestützten Lernen werden Aktivitäten von Lernenden unterstützt, die in einer Verbesserung des Verhaltens (des Wissens, der Kompetenzen) resultieren.

In den letzten zehn Jahren wird häufig auf das sogenannte „informelle Lernen“ verwiesen. Es grenzt sich vom sogenannten „formalen Lernen“, also dem institutionell organisierten Lernen, ab und wird in der Regel für den gesamten Bereich des „nicht institutionell organisierten“ Lernens verwendet (Frank et al., 2005). Es gibt dabei jedoch auch hier eine Reihe unterschiedlicher Definitionen mit feinsinnigen Unterscheidungen (Dohmen, 2001). Im englischsprachigen Raum, maßgeblich durch ein Memorandum der Kommission der Europäischen Gemeinschaft (2000) bestärkt, ist sogar eine dreiteilige Unterscheidung gängig: „formal learning“, „non-formal learning“ und „informal learning“ (ebenda, 9). Nach diesem Verständnis wird unter „informellem Lernen“ das Lernen als „natürliche Begleiterscheinung des täglichen Lebens“, unter „non-formalem Lernen“ vor allem selbstgesteuertes Lernen (ebenda) verstanden.

Ein weiterer zentraler Lernbegriff in der Diskussion des technologiegestützten Lernens ist das sogenannte lebenslange Lernen (engl. „lifelong learning“). Darunter versteht man nicht die Einsicht, dass man lebenslang lernt, sondern die Motivation, dass man das ganze Leben lang lernen soll (Smith, 1996). Der Ausdruck „lifelong learning“ soll erstmals in dem von der sogenannten „Faure-Kommission“ im Auftrag der UNESCO verfassten Buch „Learning to be“ (Faure et al., 1972) verwendet worden sein (Knapper, 2001, 130). Auch hier ist die Kommission der Europäischen Gemeinschaft ein Treiber der Diskussion. Sie betonte in ihrem Memorandum im Jahr 2000, dass lebenslanges Lernen nicht nur über die zeitliche Lebensspanne der Menschen andauern, sondern gleichzeitig auch lebensumspannend sein soll (Europäische Kommission, 2000, 9) und initiierte ein gleichnamiges Forschungsprogramm („lifelong learning programme“).

Lehren: Unterricht und Didaktik

Bei denjenigen, die andere beim Lernen unterstützen, spricht man von Lehrenden und Unterrichtenden. Lehrende gibt es in allen Bildungsbereichen, beispielsweise Erziehungs-, Lehr- und Ausbildungspersonal, in Betrieben und Berufsschulen sowie auch in großer Zahl in der Erwachsenenbildung. Lehrende werden dann dort auch als Coach, Trainer/in, Tutor/in, Dozent/in manchmal auch als Berater/in bezeichnet.

Was gute Lehre, guten Unterricht ausmacht, ist Gegenstand der Didaktik. Unterschiedliche Traditionen konkurrieren hier ebenso wie auch begriffliche Abgrenzungen. So hat Comenius im 17. Jahrhundert den Begriff ‚Didaktik‘ in Abgrenzung zur ‚Mathetik‘, der Lehre des Lernens verstanden (Comenius, 1983). Heute wird Didaktik nach Klafki als eher theoretische Begründung des konkreten pädagogischen Handelns, des Wissens über das „wie?“, kurz zur „Methodik“ gesehen (Klafki, 1991).

Was gute Lehre ist, wird von unterschiedlichen Teildisziplinen und Richtungen unterschiedlich beantwortet. So werden didaktische Empfehlungen häufig auf (einzelnen) Lerntheorien und entsprechenden Erkenntnissen der pädagogischen Psychologie aufgebaut (siehe Kapitel #lerntheorie). Aber auch aus bildungstheoretischen Überlegungen, die Menschen ‚als Ganzes‘ in ihrer Persönlichkeit begreifen und sie bei ihrer Entwicklung ihrer Persönlichkeit unterstützen wollen, werden Ableitungen für guten Unterricht erstellt.

Technologien im Unterricht wirken sich auf die Methodik wie die Didaktik aus. Bei der Methode ‚Frontalunterricht‘ konnten so, ergänzend zum Tafelbild und Kartenmaterial, beispielsweise durch Diaprojektoren Fotos im Unterricht vorgeführt werden. Mit zunehmender Integration von Technologien wie dem computer- und webgestützten Lernen können Technologien nicht mehr nur ‚als Ergänzung‘ betrachtet werden, sondern werden mit ihren Gestaltungs- und Einsatzmöglichkeiten selbst ein wichtiges Element didaktischer und methodischer Überlegungen sowie Entscheidungen. Beispielsweise eröffnen sie neue Spielräume für differenzierten, also auf unterschiedliche Bedürfnisse der Lernenden abgestimmten, Unterricht oder auch für neue Formen der Zusammenarbeit: Das gleichzeitige gemeinsame Schreiben eines Textes ist auf herkömmliche Weise, auf dem Papier, kaum möglich.

Szenarien des Einsatzes von Technologien

Ein kurzer Rückblick

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Noch vor wenigen Jahrzehnten waren Technologien Unterrichtsmittel, die den Lehrenden im Fern- und Präsenzunterricht entlasten und ersetzen sollten. Mit dem sogenannten ‚programmierten Lernen‘ wurden ‚Lernmaschinen‘ entwickelt, die den Lehrenden unterstützten sollten. In einer damaligen Darstellung heißt es dazu (Wilden, 1965, 98): „Lehrermangel und überaltete Lernformen scheinen der Forderung recht zu geben, wenigstens die Übungs- und Wiederholungsvorgänge Maschinen zu überlassen, die den didaktischen Gesamtvorgang in Einzelschritte zerlegen […] Ein Lernprogramm führt auch bei Versagen des Schülers mit Hilfe mechanischer Vorgänge und Auslösungen zu erneuter Übung und Erfassung von Teilvorgängen, schließlich zum Lernerfolg“. In den letzten Jahrzehnten hat sich durch die Computer- und Internettechnologie und die damit verbundenen Kommunikationsformen vieles getan. So gibt es weiterhin eine Reihe von Einsatzmöglichkeiten, die Lehrende entlasten.

Ein wesentliches Merkmal webbasierter Anwendungen sind aber nun Kommunikation und Kollaboration. Die entsprechenden Anwendungen eröffnen dadurch für Lernende und Lehrende vor allem solche neuen Wege des gemeinsamen Lernens.

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Sie haben bereits auf vielfältige Weise gelernt und waren eventuell auch als Lehrende bzw. Lehrender im Einsatz. Sammeln Sie für sich oder in der Gruppe einige Beispiele, wie dabei Technologien eingesetzt wurden.

Online-Lernen, Blended Learning und MOOCs

Heute gibt es zahlreiche unterschiedliche Formen des Einsatzes von Technologien im Unterricht. In reinen Online-Lernsituationen werden zum Beispiel Lernmaterialien im Internet zur Verfügung gestellt, über digitale Kommunikationswege (Forum, Chat, Soziale Netzwerke …) diskutiert oder E-Mails mit Tutorinnen und Tutoren ausgetauscht. Der einzelne Lernende sitzt dabei also alleine am Computer oder einem anderen „Endgerät“, lernt aber nicht notwendigerweise isoliert, sondern im intensiven Austausch mit anderen Lernenden und Lehrenden. Im Vergleich zu Präsenzveranstaltungen ermöglicht reines Online-Lernen, außerhalb der üblichen Seminarzeiten und zu eigens festgelegten bzw. selbstbestimmten Zeiten zu lernen. Gleichzeitig aber fordert der, im Vergleich zum Präsenzunterricht, unverbindliche Charakter einer solchen Lernsituation große Motivation und Selbstdisziplin seitens der Lernenden. Manchmal werden durch das Lernen über das World Wide Web auch Szenarien möglich, die mit realen Treffen nicht oder schwer zu organisieren und zu finanzieren wären: Online-Veranstaltungen mit Teilnehmenden aus der ganzen Welt, zum Beispiel Muttersprachler/inn/en, die auf einer Sprachlernplattform Unterstützung geben.

In der Praxis werden Online-Phasen und Präsenzunterricht häufig kombiniert beziehungsweise abgewechselt. Man spricht dann vom „Blended Learning“ (auf Deutsch „gemischtes Lernen“). Blended-Learning-Szenarien werden aus unterschiedlichen Motiven eingesetzt. Den Präsenzunterricht ergänzende Online-Phasen werden als Möglichkeit gesehen, das individuelle, selbstorganisierte und arbeitsplatznahe Lernen zu begleiten und zu unterstützen. Auch wird durch Online-Phasen das Lernen aus dem Seminarraum in die Arbeits- und Lebenswelt der Lernenden hinausgetragen; der Transfer des Gelernten gelingt unter Umständen leichter. Schlussendlich wird Online-Unterricht auch eingesetzt, um oft teureren Präsenzunterricht zu sparen.

Spätestens seit Herbst 2011 hat sich in der Diskussion um Online-Lehre ein weiterer Begriff Aufmerksamkeit verdient: MOOC, kurz für Massive Open Online Course. Als ein MOOC wird eine spezielle Form der reinen Online-Lehre bezeichnet, deren Hauptmerkmale eine sehr große Anzahl an Lernenden, und ein freier Online-Zugang zu den Lehr- und Lernunterlagen sind. Der Begriff geht auf Dave Cormier zurück, der 2008 einen Online-Kurs bei George Siemens und Stephen Downes besucht (McAuley, 2010). Während diese Veranstaltungen stark dem Konnektivismus nach Siemens (siehe Kapitel #lerntheorie) folgten, startete die Universität Stanford 2011 drei Online-Kurse mit je über 100.000 registrierten Teilnehmenden und prägte das Bild von MOOCs, welches heute durch die Medien propagiert wird: Auf einer Plattform zur Verfügung gestellte Inhalte (vorwiegend Videos) mit anschließenden Überprüfungen und vergleichsweise geringer Interaktion zwischen Lehrenden und Lernenden. Diese führte dazu, dass im Wissenschaftsbereich heute zwei Arten von MOOCs unterschieden werden, cMOOC (connectivist MOOC) und xMOOC (Extension MOOC) (Wedekind, 2013) (siehe Kapitel #systeme #lll #offeneslernen).

Zahlreiche Mischformen: Die Barbecue-Typologie

Im Bildungsalltag gibt es nicht immer und ausschließlich reine Präsenzphasen ohne Technologieeinsatz oder reine Online-Phasen. Technologien, insbesondere webbasierte Werkzeuge und Systeme, werden auch im Präsenzunterricht eingesetzt, zum Beispiel, wenn mit dem Internet recherchiert wird. Auch werden in Schulen und insbesondere Hochschulen häufig webbasierte Lernmanagementsysteme eingesetzt (siehe Kapitel #systeme, #infosysteme #schule #hochschule). Lernende erhalten dort ergänzende Materialien, zum Beispiel Präsentationsunterlagen, führen dort unterrichtsbegleitende Diskussionen oder finden dort Lernaufgaben, deren Lösungen wiederum über das System den Lehrenden zugänglich gemacht werden.

Vielfältige Lernsituationen mit Technologien sind bekannt, ohne dass sich dafür Bezeichnungen durchgesetzt haben. Wir haben versucht, ein geeignetes Bild zu finden, um die unterschiedlichen Formen anschaulich zu beschreiben. Mit einem Augenzwinkern machen wir uns das Bild der Grillwurst und ihrer unterschiedlichen Zubereitungsformen zu eigen und nennen die Darstellung folglich Barbecue-Typologie des Lernen und Lehrens mit Technologien:

Abb. 2: Barbecue-Typologie
Abb. 2: Barbecue-Typologie

Wie beim Grillen sind schließlich beim Einsatz von Technologien weitere zahlreiche Kombinationen möglich. Die einzelnen Möglichkeiten sind dabei ohne Wertigkeit zu sehen; die Entscheidung, was gut passt und besser schmeckt, ist den Lernenden und Lehrenden zu überlassen.

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Allgemein gibt es keine „guten“ oder „besseren“ Formen des Technologieeinsatzes und des Wechsels von Online- und Präsenzphasen. Die Entscheidung, was gut passt und besser schmeckt, ist den Lernenden und Lehrenden zu überlassen.

Diskussion: „E-Learning 2.0“

Ein Schlagwort, um welches man nicht herumkommt, auch wenn es langsam an Resonanz verliert, ist der Begriff „Web 2.0“. Das Web 2.0 hat das Lernen und die Vorstellung darüber, wie gelernt werden kann, stark beeinflusst und beflügelt.

Web 2.0

Der Begriff „Web 2.0“ soll auf Scott Dietzen, einen ehemaligen Mitarbeiter bei Bea Systems, zurückgehen und wurde erstmalig im Dezember 2003 in der US-Ausgabe „Fast Forward 2010 – The Fate of IT“ des CIO-Magazins von Eric Knorr in der Öffentlichkeit verwendet (Knorr, 2003). Mit der ersten Web-2.0-Konferenz im Herbst 2004 in San Francisco, veranstaltet von Tim O’Reilly (gemeinsam mit Dale Dougherty), erlangte der Begriff den internationalen Durchbruch. 2005 wird er in einem Artikel auch von O’Reilly (2005) benannt. Er definierte das Web 2.0 dabei nicht als eine ‚neue Technologie‘, sondern eine neue Art, eine neue Haltung (engl. ‚attitude‘), wie Menschen mit dem Internet umgehen. Internetnutzer/innen sind nicht mehr bloß Lesende statischer Webseiten, sondern können diese oftmals modifizieren, ohne dass hierzu Kenntnisse von zusätzlichen Programmiersprachen nötig wären. Zu Beginn des World Wide Web kam man nicht darum herum, die dafür notwendigen HTML-Kenntnisse zu erlernen (siehe Kapitel #hypertext, #fernunterricht). Die Weiterentwicklung von Internettechnologien und entsprechend einfachen Benutzeroberflächen macht es nun vergleichsweise einfach, sich zu beteiligen: Selbsterstellte Mediendateien wie Fotografien oder Tonaufnahmen können unter anderem über gemeinsame Plattformen im Internet zur Verfügung gestellt werden; man tauscht sich mit Schul- und Arbeitslkolleg/inn/en in sozialen Netzwerken aus.

Die für die Entwicklung notwendigen Internettechnologien (siehe Kapitel #webtech) traten bei der Debatte über „Web 2.0“ per Definition (O’Reilly, 2005) in den Hintergrund. Dies erklärt auch, dass man beim Versuch, das Web 2.0 an einzelnen Entwicklungen dingfest zu machen, unweigerlich auf ein anwachsendes Sammelsurium an Möglichkeiten stößt, denen allen aber gemeinsam ist, dass der Fokus auf Interaktion (Kommunikation, Arbeiten, Teilen) der Benutzenden liegt, unabhängig von einzelnen Programmiersprachen und Plattformen.

Das Web der Inhaltskonsumierenden wurde zu einem Web von miteinander kommunizierenden Inhaltsproduzierenden. Weil nun jede und jeder (relativ) einfach mitgestalten und mitmachen kann, wird es auch gerne als „Mitmach-Web“ bezeichnet. Gerade diese Vereinfachung und Potenzierung des Gemeinschaftlichen unterstreicht die Bezeichnung des Web 2.0 als ‚soziale‘ und weniger ‚technische Revolution‘ (Downes, 2005). Man spricht darüber hinaus auch von der kollektiven Intelligenz (O'Reilly, 2005), von der Weisheit der Vielen (Surowiecki, 2005) und von der ‚Kultur der Amateure‘ (Keen, 2007). Das TIME Magazine griff diese Entwicklung frühzeitig auf, indem es im Jahr 2006 „You – the Internet User“ zur Person des Jahres kürte (Grossman, 2006).

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1989 träumt Tim Berners-Lee, der als einer der Vordenker des World Wide Web gilt (siehe #www), von einem Internet, in und über welches alle mit allen alles teilen können (Berners-Lee, 1989); mit dem ‚Web 2.0‘ ist dieser Traum ein Stück mehr Realität geworden.

Trotz der eher „nicht-technischen“ Charakterisierung des Web 2.0 gibt es Typen von Anwendungen, die als Web-2.0-Anwendungen beschrieben werden. Wir stellen sie hier kurz vor:

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Um die rasante Entwicklung und Bedeutung des Web und des Web 2.0 auf das persönliche Leben zu erfassen, versuchen Sie, eine Chronologie Ihrer eigenen Erfahrungen und Verhaltensweisen in Bezug auf den Themenkomplex Internet, Kommunikation und Mobilität auf einer Zeitachse nachzuzeichnen. Wann haben Sie Ihr erstes Mobiltelefon verwendet? Wann waren Sie das erste Mal im Internet? Seit wann sind Sie Mitglied in einem sozialen Netzwerk, zum Beispiel Facebook? Wann haben Sie sich dazu entschlossen, erstmals etwas von Ihnen selbst ins Internet zu stellen?

E-Learning 2.0

Die Entwicklungen rund um Web 2.0 und die genannten Anwendungen haben auch die Diskussion im technologiegestützten Lernen entfacht: 2005 postulierte Stephen Downes im eLearn Magazine den Begriff „E-Learning 2.0“ (Downes, 2005) und beschreibt dabei, wie sich aus seiner Sicht mit den Werkzeugen des Web 2.0 ebenso das Lernen verändert. Wie beim Begriff Web 2.0 spielt auch bei E-Learning 2.0 der soziale Aspekt, der aktive und kollaborative Umgang mit neuen Medien zu Lern- und Lehrzwecken, eine entscheidende Rolle.

E-Learning findet nach Downes (2005) nicht mehr ausschließlich auf einer eingeschränkt zugänglichen Lernplattform statt, von der Lernende von Lehrenden bereitgestellte Unterlagen herunterladen oder in einem Chat oder Diskussionsforum miteinander Inhalte diskutieren können. Beim E-Learning 2.0 haben die aktive Nutzung und Erstellung von Inhalten in Wikis, Weblogs, Podcasts, sozialen Netzwerke und Medienplattformen Einzug gehalten. Gemeint ist hier also nicht die Recherche bei Wikipedia, sondern beispielsweise das gemeinsame Erstellen von Inhalten in einem Wiki-System (siehe Kapitel #kollaboration).

„E-Learning 2.0“ bezieht sich dabei auch nicht ausschließlich auf den Einsatz von Web-2.0-Technologien beim Lernen und Lehren, sondern bezeichnet auch viele weitere beobachtbare Prozesse und Entwicklungen: In Online-Gemeinschaften, die sich beispielsweise in sozialen Netzwerken wie Facebook finden, tauscht man sich mit anderen Interessierten aus, Lernende erstellen selbst Webseiten, Podcasts oder Videos. Allgemein stehen immer mehr Lernmaterialien im Netz zur freien Verfügung. Lernen findet nicht mehr in „geschützten“ Räumen statt, sondern wird öffentlich. Die Lernenden können (und müssen) größere Selbststeuerung und -organisation übernehmen und die Rolle der Lehrenden wandelt sich von unterrichtenden Expert/inn/en zur Lernbegleiterin und zum Lernbegleiter – um nur einige der genannten Aspekte zu nennen. (Kerres, 2006; Ebner, 2007; Bernhardt & Kirchner, 2007).

Wie vielseitig das Web 2.0 bzw. der Begriff des E-Learning 2.0 ist, zeigt sich auch an den Themen und Aspekten dieses Lehrbuchs. Dennoch ist es weiterhin nur ein Bereich des großen Felds des Einsatzes von Technologien für das Lernen und Lehren.

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Der Begriff „E-Learning 2.0“ beschränkt sich nicht auf die Verwendung der Werkzeuge des sogenannten „Web 2.0“, sondern beinhaltet auch die veränderten Beteiligungsmöglichkeiten, die neuen didaktisch-methodischen Möglichkeiten und Auswirkungen für das Lernen (und Lehren).

Ein interdisziplinäres Forschungsfeld

Das technologiegestützte Lernen und Lehren ist ein junges, interdisziplinäres Forschungsfeld, das sich zunehmend, durch entsprechende Forschungseinrichtungen und Aus- bzw. Weiterbildungsmöglichkeiten, als eigenständiges Fachgebiet konsolidiert.

Bezugsdisziplinen

Das Fachgebiet wird im Wesentlichen von zwei Disziplinen stark beeinflusst, der pädagogisch-psychologischen Forschung und der Informatik.

Die Erziehungswissenschaften und die pädagogische Psychologie interessieren die Bedingungen und Erfolge von Lern- und Lehraktivitäten. Pädagogisch-psychologische Fragestellungen untersuchen so die Effekte der didaktischen Gestaltung oder der Voraussetzungen der Lernenden. Ursprünglich war in der Lehr-/Lern-Forschung die Beschäftigung mit Technologien und Medien ein Randthema, sie rückt aber durch die zunehmende Bedeutung der technologiegestützten Lernformen in das Zentrum (Kerres et al., 2001). Während die Psychologie Theorien zum Lernen und Lehren überprüft, indem sie Hypothesen formuliert und in Untersuchungen und Experimenten validiert (oder eben widerlegt), hat die Pädagogik eher die konkrete Anwendung, die Nutzung und Gestaltung guter Unterrichtspraxis und Lernumgebungen sowie deren Evaluierung im Auge.

Bildungstheoretische Erörterungen oder gesellschaftliche Aspekte, wie sie die allgemeine Pädagogik behandelt, werden dabei im Bereich des technologiegestützten Lernens eher selten aufgegriffen. Dies liegt wohl daran, dass der Begriff „Bildung“ und die entsprechende deutschsprachige bildungstheoretische Diskussion nicht direkt ins Englische zu übertragen sind: „Bildung“ ist nicht das Gleiche wie das englische „education“. Der Begriff der Bildung wird in der englischsprachigen internationalen Literatur zum technologiegestützten Lernen auch nur ausnahmsweise rezipiert (zum Beispiel bei Friesen, 2009). Die kritisch-emanzipatorische Pädagogik macht sich aber auch nicht widerspruchslos zur ‚Handlangerin‘ ökonomischer Bedürfnisse und Optimierungen, wie sie im Zuge der Einführung technologiegestützten Lernens oft zu hören sind (Häcker, 2010). Auch gilt weiterhin: „Was ist eine Schule wert, von der schon Seneca sagte: Nicht für das Leben, leider nur für die Schule lernt ihr in der Schule (non vitae, sed scholae discimus)“ (Begemann, 1997, 152).

Die Informatik, insbesondere der Zweig der Medieninformatik, entwickelt Systeme, welche den Bedürfnissen der Beteiligten beim Lernen und Lehren und den aktuellen technologischen Entwicklungen entsprechen. Zuverlässigkeit und Persistenz solcher Systeme sind dabei deren Maßstab. Das Fachgebiet der Medieninformatik ist als Teilgebiet der Informatik erst Anfang der 1990er Jahre entstanden und behandelte zunächst die Digitalisierung von Texten, Bildern, Audio- sowie Videodaten, also den Bereich Multimedia. Herczeg (2007, 1) beschreibt, dass sich die Medieninformatik heute „mit der Entwicklung und Nutzung interaktiver Systeme und Medien befasst“ und weist darauf hin, dass die wesentliche Aufgabe darin besteht, „die Analyse, Konzeption, Realisierung, Bewertung und Verbesserung der Schnittstellen zwischen multimedialen Computersystemen und Menschen, die diese in ihren unterschiedlichen Kontexten im Rahmen von Arbeit, Bildung oder Freizeit als Konsumenten oder Produzenten nutzen möchten“, zu untersuchen. Der Computer wird dabei nicht auf seine ursprüngliche Rolle als Symbolverarbeitungsmaschine eingeschränkt, sondern als Kommunikations- und Informationsmöglichkeit betrachtet. Malaka et al. (2009) weisen darauf hin, dass sich die Medieninformatik mit digitalen Medien beschäftigt, die letztlich immer von Menschen genutzt werden, und daher drei Aspekten eine wesentliche Rolle zukommt: Menschen, Technik und Gesellschaft.

Darüber hinaus gibt es jedoch eine Reihe von weiteren (kleineren, auch Teil-) Fachgebieten, die erwähnt werden sollten:

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Falls Sie diesen Lehrtext im Rahmen eines Seminars lesen: Fragen oder überlegen Sie, mit welchen Hintergründen die anderen Lernenden sich dem Thema E-Learning widmen.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit

Obwohl der Bereich des technologiegestützten Lernens und Lehrens ein interdisziplinäres Feld ist, arbeiten die entsprechenden Disziplinen häufig nicht eng zusammen. So gibt es beispielsweise in der mediendidaktischen Planung nach Kerres (2001) einen Bereich der IT-Infrastruktur, welcher wohl Fragen der technologischen Systeme berührt; es scheint aber so, als würde diese Infrastruktur als gegeben vorausgesetzt werden. Auf Seiten der Pädagogik fehlt häufig technisches Wissen, vor allem über neue Entwicklungen und Potenziale, um Innovationen mitzugestalten und anzutreiben. Umgekehrt werden von der Informatik eher rezeptähnliche Ratschläge auf Basis kognitionspsychologischer Überlegungen (siehe Kapitel #gedaechtnis) angenommen, als die, aus ihrer Sicht eher vagen und nicht eindeutigen, Methodenbeschreibungen und -empfehlungen der Lern- und Lehr-Forschung, die über eine „kleinteilige“ Realisierung in kleinen Schritten hinausgeht. Diese Beispiele für geringe und schwierige Zusammenarbeit sind subjektive Wahrnehmungen der Autorinnen und Autoren. Dass die interdisziplinäre Zusammenarbeit aber zu verbessern ist, wird jedoch wohl allgemein Unterstützung finden. Durch die aktuelle Konsolidierung als eigenständiges, interdisziplinäres Forschungsgebiet und eine Reihe eigener Institutionen, die sich zum Themengebiet gebildet haben, ist anzunehmen, dass sich die Zusammenarbeit und das gegenseitige Verständnis zukünftig verbessern.

Am Rande bemerkt: Interessant ist, dass die Disziplinen sich auch über die konkrete Zusammenarbeit hinaus befruchten, so hat die „Computermetapher“ für das Gedächtnis (mit „Input“ und „Output“) die Kognitionswissenschaft und ihre Vorstellung vom menschlichen Gedächtnis beeinflusst (siehe Kapitel #kognition).

Konsolidierung als Forschungs- und Lehrgebiet

In den letzten Jahren zeigt sich eine zunehmende Konsolidierung des technologiegestützten Lernens und Lehrens als Forschungs- und Lehrgebiet: An mehreren Hochschulen werden inzwischen entsprechende Studiengänge angeboten. Ein weiterer Indikator für die Konsolidierung als Lehrgebiet ist die steigende Zahl von Professuren, Lehrstühlen und Departments, in deren Bezeichnung das Themenfeld explizit genannt wird, beispielsweise das Institut für Medien und Bildungstechnologie der Universität Augsburg oder das Department für Interaktive Medien und Bildungstechnologien an der Donau-Universität Krems. An vielen deutschsprachigen Hochschulen gibt es Institute oder Forschungscluster, die sich intensiv und aus unterschiedlichen Forschungsperspektiven mit dem Lernen und Lehren mit Technologien beschäftigen; exemplarisch sind einige in Tabelle 1 genannt.

Auch gibt es eine Reihe von Forschungseinrichtungen, die sich mit dem Lernen und Lehren mit Technologien beschäftigen; Beispiele aus ganz Europa finden sich in Tabelle 2.

Ausblick: Erweiterung der Lern- und Lehrmöglichkeiten

Ob das Lernen und Lehren grundsätzlich und nachhaltig durch die oben skizzierten Technologien beeinflusst wird, wird sich zeigen. E-Learning 2.0 ist derzeit eher für eine kleine Zahl von Lehrenden und Lernenden Realität; und es bedarf einer großen Portion Motivation sowie Medien- und Lernkompetenz, um breitflächige und nachhaltige Veränderungen herbeizuführen. Es ist auch davon auszugehen, dass im formal organisierten Unterricht die vermeintliche Leichtigkeit, die spielerischen Ansätze und die neuen Formen der Kollaboration zu Gewöhnungseffekten führen. Die Geschichte und die Debatte um die Einführung von jeweils neuen Medien hat uns gezeigt, dass diese immer von Euphorie (zum Beispiel bei der Einführung des Schulfernsehens) wie auch von Schreckensszenarien (bei der Einführung der Schultafel; siehe Kapitel #ipad) begleitet werden und sich erst (viel) später, nach einer gewissen Konsolidierungsphase, herausstellt, welche substanziellen Veränderungen sich daraus ergeben. Wir gehen davon aus, dass die beschriebenen Möglichkeiten die Lern- und Lehrpraxis langfristig und nachhaltig verändern werden.

Kurzbeschreibung (Homepage)
IICM - Institut für Informationssysteme und Computer Medien an der Technischen Universität Graz
Leitung Frank Kappe, ca. 30 wiss. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
http://www.iicm.tugraz.at
IBM - Department für Interaktive Medien und Bildungstechnologien, Donau-Universität Krems
Leitung Peter Baumgartner, ca. 15 wiss. Mitarbeiter/innen
http://www.donau-uni.ac.at/de/department/imb
Empirische Pädagogik und Pädagogische Psychologie, Ludwig-Maximilians-Universität München
Leitung Frank Fischer, ca. 30 wiss. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
http://www.psy.lmu.de/ffp
Forschungscluster E-Education der Fernuniversität in Hagen
Forschungskooperativ im Themenfeld, Kooperation von 6 Instituten
http://www.lgmmia.fernuni-hagen.de/researchcluster/education
IMB – Institut für Medien und Bildungstechnologien, Universität Augsburg
Leitungsteam, ca. 30 wiss. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
http://www.imb-uni-augsburg.de
ZHW – Zentrum für Hochschul- und Weiterbildung, Universität Hamburg
vormals Leitung Rolf Schulmeister, ca. 15 wiss. Mitarbeiter/innen
http://www.zhw.uni-hamburg.de/zhw
Duisburg Learning Lab – Lehrstuhl für Mediendidaktik und Wissensmanagement
Leitung Michael Kerres, ca. 30 wiss. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
http://mediendidaktik.uni-duisburg-essen.de

Tab.1: Ausgewählte Universitätsinstitute und Forschungscluster deutschsprachiger Universitäten mit einem Schwerpunkt im Themenfeld. Quellen: Angaben auf den Homepages, Stand Januar 2011

So ist eine Konsequenz des diskutierten Web 2.0 ein rasanter Anstieg der Zahl potenzieller Lernmaterialien, -anwendungen und -gelegenheiten für Nutzerinnen und Nutzer des Internets. Da die geltenden Regelungen des Urheberrechts im deutschsprachigen Europa die Verwendung und Modifizierung von (Lern-) Materialien einschränken, bildeten sich Initiativen und Projekte, welche freie Bildungsmaterialien unterstützen. Durch entsprechende Lizenzierungen werden die Nutzung, Veränderung und Wiederveröffentlichung ohne weitere Absprachen mit den Urheberinnen oder Urhebern möglich und legal (siehe Kapitel #openess).

Die zunehmenden Möglichkeiten für das Lernen stellen große Anforderungen an die Lernenden, insbesondere an deren Medien- wie auch Lernkompetenz. Mit den sogenannten „persönlichen Lernumgebungen“ werden Möglichkeiten geschaffen, sich „das Internet“ für die eigenen Bedürfnisse zurechtzuschneiden. Weiterhin ist es notwendig, entsprechende Auswahlentscheidungen treffen zu können (siehe „personal learning environment“ im Kapitel #systeme).

Insbesondere rücken zunehmend auch semantische Technologien in den Mittelpunkt. Dadurch könnten Inhalte in Zukunft mehr miteinander verschränkt und aus vorhandenen Daten mehr Informationen gewonnen werden. Auch zeigt die heute vergleichsweise einfache Möglichkeit, Daten zentral zu speichern, dass in Zukunft die Forschungsfelder Educational Data Mining und Learning Analytics (siehe #analyse) wesentlich an Bedeutung gewinnen werden, um den Lehr- und Lernprozess noch individueller zu gestalten.

Kurzname Kurzbeschreibung (Homepage)
CELSTEC (NL) Das „Center for Learning Science and Technologies“ ist die Forschungseinrichtung der niederländischen Fernuniversität, der Open Universiteit Nederland, und forscht und entwickelt zu Lerntechnologien, ca. 80 Mitarbeiter/innen (http://celstec.org).
KMi (UK) Das „Knowledge Media Institute“ ist die Forschungseinrichtung der britischen Fernuniversität, der Open University UK und forscht und entwickelt zu Wissensmedien, ca. 70 Mitarbeiter/innen (http://kmi.open.ac.uk)
SCIL (CH) Das „Swiss Centre for Innovations in Learning“ gehört zur Universität St. Gallen und entwickelt und forscht zu Lerninnovationen im Feld von Hochschulen und Unternehmen, derzeit 12 Mitarbeiter/innen (http://www.scil.ch)
IWM/KMRC (DE) Das „Institut für Wissensmedien“ ist eine außeruniversitäre Forschungseinrichtung mit Sitz in Tübingen und forscht zu medienbasierten Lehr- und Lernansätzen, mit ca. 80 Mitarbeiter/innen (http://www.iwm-kmrc.de)
Know-Center (AT) Das „Know-Center“ bezeichnet sich als das österreichische Kompetenzzentrum für Wissensmanagement und Wissenstechnologien und beschäftigt sich aus dieser Perspektive mit individuellen und organisationalen Lernprozessen und Medien, ca. 45 Mitarbeiter/innen (http://www.know-center.tugraz.at)
IFeL Das „Institut für Fernstudien- und eLearningforschung“ ist das Forschungsinstitut der Fernfachhochschule Schweiz, 10 Mitarbeiter/innen (http://www.ifel.ch/)
ccel Das „Competence Center e-Learning“ forscht am Deutschen Forschungszentrum für künstliche Intelligenz zum technologiegestützten Lernen, 25 Mitarbeiter/innen (http://ccel.dfki.de)

Tab.2: Ausgewählte europäische institutionalisierte Forschungseinrichtungen im Bereich des Lernens und Lehrens mit Technologien. Quellen: Beschreibung der Einrichtung auf deren Homepages bzw. Auskünfte der Einrichtungen, Stand Januar 2011

Das allgegenwärtig verfügbare, ubiquitäre Internet führt also zukünftig zu einer Entwicklung von neuen Geräten und Anwendungen von heute noch schwer vorstellbarem Ausmaß (siehe Kapitel #innovation). Aktuell sind dies derzeit auf den Markt drängende Technologien wie „Surface Computing“ (siehe Kapitel #ipad) oder neue Endgeräte wie z.B. die Datenbrille von Google. Lernressourcen und -mittel sind überall und in Echtzeit abrufbar (Zhang & Jin, 2005), neue Lerngelegenheiten werden geschaffen und für viele Menschen erst verfügbar werden. Bereits jetzt ist zu sehen, dass unsere Kinder mit Leichtigkeit mobile Endgeräte, wenn auch noch in spielerischer Weise, bedienen und in ihren Alltag integrieren (siehe Kapitel #netzgeneration). „Gute“ und damit letztlich weit verbreitete Technologie verschwindet dabei zunehmend hinter ihrem Nutzen und wird somit Bestandteil unseres Lebens („pervasive computing“ in Anlehnung an Weiser, 1991) – und damit unseres Lernen und Lehrens.

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Durch den rasanten Anstieg der Zahl der Lernmaterialien und -gelegenheiten sowie des allgegenwärtigen Internets erweitern sich die Lern- und Lehrmöglichkeiten. Medienkompetenz, Selbststeuerung und Personalisierung der Inhalte sind dabei notwendige Voraussetzungen für zukünftiges Lernen.

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Schauen Sie sich den Film von „Sixth Sense“ an: http://www.pranavmistry.com/projects/sixthsense/#VIDEOS [2011-01-30]. Halten Sie für sich persönlich fest, wie das gezeigte Endgerät Ihren Alltag verändern würde! Wie könnten Lehr- und Lernsituationen damit aussehen? Diskutieren Sie Ihre Überlegungen mit anderen!

Literatur